Europäische Fortbildungen für Notarinnen und Notare
Die kontinuierliche Aus- und Fortbildung der Notarinnen und Notare in Europa ist ein zentrales Anliegen des CNUE. Seit 2014 konnten dank einiger aufeinanderfolgender, von der Europäischen Kommission unterstützter Trainingsprogramme, nahezu 6.000 Notarinnen und Notare an Schulungen zu europäischem Recht oder zu ausländischen Rechtsfragen aus anderen Mitgliedstaaten teilnehmen.
Die Programme setzen gezielt auf Themen mit hoher praktischer und grenzüberschreitender Relevanz; darunter Erb- und Familienrecht, Datenschutz- und Gesellschaftsrecht sowie die Prävention von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung.
Ziel ist es, die Fachkompetenz der Notarinnen und Notare im europäischen Kontext weiter zu stärken und den grenzüberschreitenden Austausch zu fördern. Mit einem zeitgemäßen Fortbildungssystem, das Präsenzseminare, Webinare, E-Learning-Module und themenspezifische europäische Trainingsinitiativen umfasst, unterstützt der CNUE die kontinuierliche Weiterentwicklung und europäische Vernetzung des notariellen Berufsstandes.
Der Rat der Notariate der Europäischen Union
Der CNUE ist das offizielle Organ, das den notariellen Berufsstand gegenüber den europäischen Institutionen vertritt. Er vereint die Notariate aus 22 Mitgliedstaaten und repräsentiert damit rund 50.000 Notarinnen und Notare in Europa. Der CNUE wurde 1993 im Zuge der Vollendung des Binnenmarktes gegründet und ist seit 2003 als gemeinnütziger Verein nach belgischem Recht (ASBL) mit Sitz in Brüssel tätig. Seine Aufgabe besteht darin, das Notariat als Garant für Rechtssicherheit und Verbraucherschutz zu stärken, seine aktive Rolle in den europäischen Entscheidungsprozessen zu fördern und die Mitgliedsnotariate kontinuierlich über Entwicklungen im EU-Recht zu informieren. Neben eigenständigen Projekten – wie dem Europäischen Notarverzeichnis – engagiert sich der CNUE auch in der fachlichen Fortbildung von Notarinnen und Notaren.
Das Europäische Notarnetzwerk
Das ENN ist eine Initiative des CNUE und wird mit Unterstützung der Europäischen Kommission betrieben. Es soll als zentrale Anlaufstelle für Notarinnen und Notare dienen, die mit grenzüberschreitenden Fällen befasst sind – etwa im Erb-, Familien- oder Gesellschaftsrecht. Über nationale Kontaktstellen in allen Mitgliedstaaten mit Notariaten lateinischer Prägung stellt das ENN ein Netzwerk für den Informationsaustausch bereit.
Seit 2023 ist das ENN zudem Träger einer neuen E-Learning-Plattform, die vom CNUE entwickelt wurde und gezielt auf die praktischen Fortbildungsbedürfnisse des notariellen Berufsstandes eingeht. Auf der Plattform finden sich insbesondere die digitalen Inhalte des europäischen Fortbildungsprogramms EL@N. Ergänzend dazu organisiert der CNUE im Rahmen des ENN eigene ENN-Seminare, die den fachlichen Austausch zwischen den europäischen Notariaten vertiefen.
Das EL@N-Projekt
Mit dem EL@N Projekt startete 2020 eine von der Europäischen Kommission kofinanzierte Initiative unter Leitung des CNUE – „EL@N I“ (2020 – 2022). Ziel war es, die juristische Fortbildung für Notarinnen und Notare europaweit zu fördern und auch für zukünftige Fortbildungsreihen einen festen Rahmen zu etablieren. EL@N I kombinierte Präsenzseminare in verschiedenen europäischen Städten mit digitalen Lernformaten. Im Mittelpunkt standen die Themen Familienrecht, Gesellschaftsrecht und Datenschutzrecht.
Aufbauend auf den Erfolgen der ersten Fortbildungsreihe wurde „EL@N II“ (2024 – 2026) ins Leben gerufen, um die bestehenden Schulungsmaßnahmen zu vertiefen und inhaltlich auszuweiten.
Das Projekt konzentriert sich auf zentrale Zukunftsthemen der notariellen Praxis:
- Die Europäische Erbrechtsverordnung (EuErbVO), mit besonderem Blick auf die Auswirkungen ehelicher Güterstände auf Erbsachen und auf den Umgang mit digitalen Nachlassgegenständen,
- Geldwäsche- und Terrorismusprävention im Einklang mit dem neuen europäischen AML-Paket,
- die grenzüberschreitende Vollstreckung öffentlicher Urkunden
- sowie die Stärkung der englischen Fachsprache in der notariellen Arbeit.
EL@N II Seminar in Porto zu grenzüberschreitenden Nachlassfällen
Besonders zeigt sich die Relevanz des europäischen Erbrechts in seiner wirtschaftlichen Dimension: Nach Angaben der Europäischen Kommission gibt es in der Europäischen Union jährlich rund 450.000 Erbfälle mit grenzüberschreitender Dimension, deren Gesamtwert auf etwa 123 Milliarden Euro geschätzt wird. Damit betreffen Fragen zur Zuständigkeit, zum anwendbaren Recht und zur Anerkennung von Entscheidungen einen beträchtlichen Teil der europäischen Bevölkerung und stellen Notarinnen und Notare regelmäßig vor komplexe Herausforderungen.
Vor diesem Hintergrund war das am 24. Oktober 2025 im Rahmen des EL@N II-Projekts in Porto veranstaltete Präsenzseminar von besonderer Bedeutung, was sich auch in der außergewöhnlich hohen Teilnehmerzahl zeigte: Mehr als 250 Teilnehmer und Teilnehmerinnen vor Ort sowie zahlreiche Online-Teilnahmen machten es zum bestbesuchten Seminar der EL@N-Reihe. Die Veranstaltung wurde gemeinsam vom CNUE und der Portugiesischen Notarkammer (Ordem dos Notários) organisiert und widmete sich den rechtlichen und praktischen Herausforderungen grenzüberschreitender Nachlassfälle aus notarieller Perspektive – mit besonderem Blick auf die Abgrenzung zum ehelichen Güterrecht. Es bot vertiefte theoretische Einblicke, wertvolle praktische Hinweise und förderte den fachlichen Austausch zwischen Notarinnen, Notaren und Hochschulvertreterinnen und -vertretern aus verschiedenen Mitgliedstaaten.
Die Eröffnung erfolgte mit musikalischer Begleitung durch die Vizepräsidentin der portugiesischen Notarkammer, Filipa Azevedo Maia, bevor der Präsident, Jorge Batista da Silva, mit seiner impulsgebenden Ansprache den Auftakt gab, auf die anschließend Fachbeiträge hochrangiger Expertinnen und Experten folgten. Professorin Anabela Susana de Sousa Gonçalves (Universität Minho) und Sofia Henriques (Notarin in Lissabon und Professorin an der Universität Lissabon) eröffneten die Diskussion über die Grenzen des Anwendungsbereichs der Europäischen Erbrechtsverordnung, indem sie die Abgrenzung zu den Regelungsbereichen der Europäischen Güterrechtsverordnung (EuGüVO) herausarbeiteten. João Oliveira stellte die portugiesische IT-Plattform für das Europäische Nachlasszeugnis (ENZ) vor, während Professorin Carolina Gouveia Costa (Universität Coimbra) und Isidoro Calvo Vidal (Notar in A Coruña) die Wirkungen des ENZ als „Erbenpass“ analysierten.
Auch der Nachmittag war praxisnahen Themen gewidmet: Professorin Rute Pedro (Universität Porto) und Christian Schall (Notar in Marktheidenfeld) präsentierten ganz im Sinne des Schwerpunktes des Seminars eine vertiefte Untersuchung des Mahnkopf-Urteils (C-558/16), in welchem der EuGH die umstrittene Frage beantwortete, wie die Regelung des § 1371 Abs. 1 BGB internationalprivatrechtlich zu qualifizieren ist. Joan-Carles Rodríguez Miñana (Notar in Andorra) und Professorin Jéssica Ferreira (Universität Porto) behandelten die Herausforderungen für die Abwicklung von Erbfällen, die durch Migration und die zunehmende Mobilität von Bürgerinnen und Bürgern entstehen – ein Thema von wachsender praktischer Relevanz in ganz Europa. Im abschließenden Panel befassten sich Geraldo Ribeiro (Richter in Coimbra) und Felix Koechel (Notar in Waldshut-Tiengen) mit der dogmatisch und praktisch wichtigen Frage der „Annahme“ öffentlicher Urkunden nach der EuErbVO und erläuterten, weshalb eine „Anerkennung“ nur für gerichtliche Entscheidungen möglich ist.
In ihrer Schlussansprache betonte Filipa Azevedo Maia, Vizepräsidentin der portugiesischen Notarkammer und Mitglied des Direktionsrates der Union Internationale du Notariat (UINL), die wachsende Bedeutung der EL@N Schulungen: Sie fördern nicht nur das gemeinsame Verständnis des EU-Rechts, sondern auch die persönliche und fachliche Vernetzung der europäischen Notariate.
Ausblick – EL@N III
Basierend auf den bisherigen Initiativen wurde nunmehr von der Europäischen Kommission auch das Projekt „EL@N III“ (2026 – 2028) akzeptiert. In dieser neuen Phase soll die Fortbildung europäischer Notarinnen und Notare weiter ausgebaut und gezielt auf die Herausforderungen der digitalen Transformation und der Unternehmensmobilität ausgerichtet werden. EL@N III soll sich auf zwei strategische Schwerpunkte konzentrieren:
- Digitale Kompetenz für Notarinnen und Notare: Schulungen unter anderem zu Cybersicherheit, sicherer Kommunikation, digitalem Dokumentenmanagement, Krypto-Vermögenswerten und Geldwäscheprävention.
- Unternehmensmobilität: praxisorientierte Module zu Registern wirtschaftlich Berechtigter, Umsetzung einschlägiger EU-Richtlinien und Anwendung des Business Registers Interconnection System (BRIS).
Das Programm verfolgt wieder den bewehrten Ansatz, der Online-Lernmodule über die ENN‑Plattform mit Präsenzseminaren in mehreren Mitgliedstaaten sowie Webinaren kombiniert. Ergänzt wird es durch ein neues Austauschformat, das den Wissenstransfer sowie die persönliche Vernetzung zwischen den europäischen Notariaten fördert.
EL@N III soll die Fortbildung des europäischen Notariats innovativ, praxisorientiert und zukunftsgerichtet weiterentwickeln.