Referentenentwurf eines Gesetzes zur Umsetzung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zur Vaterschaftsanfechtung
Zusammenfassung:
Die Bundesnotarkammer begrüßt die Zielsetzung des vorliegenden Referentenentwurfs, die Vorgaben des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 9. April 2024 (1 BvR 2017/21) zeitnah umzusetzen. Im Hinblick auf einzelne Aspekte mit Bezug zur notariellen Praxis sehen wir jedoch Anpassungsbedarf.
Dies betrifft vor allem die in § 1594 Abs. 5 BGB-E neu geschaffene „Anerkennungssperre“. Der Gesetzeswortlaut lässt offen, welche der anerkennungsrelevanten Willenserklärungen zum Zeitpunkt des Eingangs eines Antrags auf Vaterschaftsfeststellung beim Familiengericht beurkundet sein müssen, damit das Feststellungsverfahren der Wirksamkeit der Anerkennung nicht entgegensteht. In Fällen, in denen ein Antrag auf Vaterschaftsfeststellung an demselben Tag eingeht, an dem auch die (letzte) für § 1594 Abs. 5 BGB-E entscheidende Erklärung beurkundet wird, wäre außerdem unklar, ob der die Vaterschaft Anerkennende Vater des Kindes geworden ist oder nicht. Überhaupt stellt sich Frage, wie die Standesbeamten die Wirksamkeitsvoraussetzung des § 1594 Abs. 5 BGB-E vor Eintragung einer nachgeburtlichen Vaterschaftsanerkennung in das Geburtenbuch prüfen sollen (A.). Während wir die Beibehaltung des Formerfordernisses für alle anerkennungsrelevanten Willenserklärungen in § 1597 Abs. 1 BGB uneingeschränkt begrüßen (B.), regen wir an, anlässlich der redaktionellen Anpassung der Verweisung in § 1598 Abs. 1 Satz 1 klarzustellen, dass ein Verstoß gegen § 1597 Abs. 2 BGB nicht zur Unwirksamkeit der jeweils betroffenen Erklärung führt (C.). Darüber hinaus regen wir an, nach Abschluss des vorliegenden Gesetzgebungsverfahrens die in der vergangenen Legislaturperiode angestellten Reformüberlegungen zur besseren Verhinderung missbräuchlicher Vaterschaftsanerkennungen wieder aufzunehmen (D.).
Im Einzelnen:
A. Sperrwirkung eines Feststellungsverfahrens nach § 1594 Abs. 5 BGB-E
§ 1594 Abs. 5 Satz 1 BGB-E sieht vor, dass eine Vaterschaftsanerkennung, die während eines anhängigen Vaterschaftsfeststellungsverfahrens erklärt wird, schwebend unwirksam ist. Das gilt nach § 1594 Abs. 5 Satz 2 BGB-E lediglich dann nicht, wenn die Anerkennung zur Niederschrift desjenigen Familiengerichts erklärt wird, bei dem das Feststellungsverfahren anhängig ist, und das Kind nachweislich mit dem Samen des Mannes gezeugt wurde, der die Vaterschaft für das Kind anerkennen möchte.
Die Vaterschaft kraft Anerkennung setzt neben der Anerkennungserklärung des Vaters auch die Zustimmung der Mutter (§ 1595 Abs. 1 BGB-E) und die des Kindes (§ 1595 Abs. 2 BGB-E) voraus. Diese Erklärungen müssen nach § 1597 Abs. 1 BGB-E öffentlich beurkundet werden, jedoch nicht notwendig bei gleichzeitiger Anwesenheit. Insofern stellt sich die Frage, ob auch die Zustimmungserklärungen von Mutter und Kind zum Zeitpunkt des Eingangs des Antrags auf Vaterschaftsfeststellung beim Familiengericht beurkundet sein müssen, damit das Feststellungsverfahren der Wirksamkeit der Anerkennung nicht nach § 1594 Abs. 5 BGB-E entgegensteht, oder ob es nur auf die Anerkennungserklärung des Vaters ankommen soll. Für Ersteres sprechen die Ausführungen zur fehlenden Notwendigkeit von Übergangsregelungen auf Seite 18 des Referentenentwurfs.[1] Eine Klarstellung, jedenfalls in der Gesetzesbegründung, wäre wünschenswert.
Rechtsunsicherheit bestünde aber trotz einer solchen Klarstellung in Fällen, in denen ein Antrag auf Vaterschaftsfeststellung an demselben Tag eingeht, an dem auch die (letzte) für § 1594 Abs. 5 BGB-E entscheidende Erklärung beurkundet wird. Zu welcher Uhrzeit die Niederschrift über die maßgebliche Erklärung erstellt wurde, lässt sich im Nachhinein nicht mehr feststellen. Den genauen Zeitpunkt, in dem das Vaterschaftsfeststellungsverfahren anhängig wurde, könnte man bei elektronischer Antragsstellung zwar nachweisen. Nachdem in Vaterschaftsfeststellungsverfahren kein Anwaltszwang besteht (vgl. §§ 10, 114 FamFG), wird man eine elektronische Antragstellung nach § 14b FamFG aber nicht voraussetzen können. Somit wäre in diesen Fällen unklar, was zeitlich zuerst erfolgte: die Vaterschaftsanerkennung oder der Eingang des Antrags auf Vaterschaftsfeststellung. Wäre die Vaterschaftsanerkennung dem Feststellungsantrag zuvorgekommen, wäre die Anerkennung wirksam (und der Feststellungsantrag unzulässig). Wäre umgekehrt der Feststellungsantrag der Vaterschaftsanerkennung zuvorgekommen, wäre die Anerkennung aufgrund der Sperrwirkung des Feststellungsverfahrens nach § 1594 Abs. 5 BGB-E schwebend unwirksam. In Fällen, in denen ein Antrag auf Vaterschaftsfeststellung an demselben Tag eingeht, an dem auch die (letzte) für § 1594 Abs. 5 BGB-E entscheidende Erklärung beurkundet wird, wäre mithin unklar, ob der die Vaterschaft Anerkennende Vater des Kindes geworden ist oder nicht.
Zudem stellt sich Frage, wie die Standesbeamten vor Eintragung einer nachgeburtlichen Vaterschaftsanerkennung in das Geburtenbuch künftig prüfen sollen, ob ein Feststellungsverfahren der Wirksamkeit der jeweiligen Anerkennung nach § 1594 Abs. 5 BGB-E entgegensteht. Um eine solche Prüfung zu ermöglichen, wäre es denkbar, § 1594 Abs. 5 BGB-E durch eine Regelung zu flankieren, nach der die Familiengerichte verpflichtet sind, Anträge auf Vaterschaftsfeststellung dem jeweiligen Geburtsstandesamt mitzuteilen. Liegt keine solche Mitteilung vor, dürften die Standesbeamten davon ausgehen, dass die jeweilige Anerkennung – die Einhaltung der übrigen Wirksamkeitsanforderungen des §§ 1598 BGB-E vorausgesetzt – bei dem Geburtseintrag des Kindes beurkundet werden kann.
B. Formerfordernis des § 1597 Abs. 1 BGB-E
Das Beibehalten des Erfordernisses der öffentlichen Beurkundung für die Anerkennungserklärung des Vaters und die anderen anerkennungsrelevanten Willenserklärungen ist uneingeschränkt zu begrüßen. Das Beurkundungserfordernis dient nicht nur der Beweisbarkeit der statusrelevanten Erklärungen.[2] Es stellt auch sicher, dass die Beteiligten über die rechtliche Tragweite ihrer Erklärungen sachgerecht belehrt und vor übereilten Erklärungen bewahrt werden.[3] Hierfür stehen Notarinnen und Notare den Beteiligten als neutrale Ansprechpartner flächendeckend zur Verfügung.
C. Unwirksamkeitsgründe in § 1598 Abs. 1 Satz 1 BGB-E
§ 1598 BGB regelt abschließend, wann die Anerkennungserklärung des Vaters und die anderen anerkennungsrelevanten Willenserklärungen unwirksam sind. Hierzu verweist § 1598 Abs. 1 Satz 1 BGB auf diejenigen Normen, die Wirksamkeitsvoraussetzungen enthalten. Dies sind derzeit dem Wortlaut nach § 1594 Abs. 2 bis 4 BGB und §§ 1595 bis 1597 BGB Diese Normverweisung soll nun redaktionell angepasst werden, um der Einführung der Anerkennungssperre während eines Feststellungsverfahrens in § 1594 Abs. 5 BGB-E Rechnung zu tragen. § 1598 Abs. 1 Satz 1 BGB-E soll künftig auf §§ 1594 bis 1597 BGB verweisen.
Klarstellungsbedarf besteht – de lege lata wie de lege ferenda – hinsichtlich der Verweisung auf § 1597 Abs. 2 BGB, der unverändert bleiben soll. § 1597 Abs. 2 BGB sieht vor, dass dem Vater, der Mutter, dem Kind sowie dem Standesamt beglaubigte Abschriften aller für die Wirksamkeit der Anerkennung bedeutsamen Erklärungen zu übersenden sind. Anders als die übrigen Normen, auf die in § 1598 Abs. 1 Satz 1 de lege lata und de lege ferenda verwiesen wird, enthält § 1597 Abs. 2 BGB damit nach herrschender Ansicht keine materielle Wirksamkeitsvoraussetzung, sondern lediglich eine Verfahrensvorgabe.[4] Unterbleibt die Übersendung der beglaubigten Abschriften im Einzelfall, mag das zwar kurzfristig zu Rechtsunsicherheit zwischen den Beteiligten führen.[5] Diese kann aber durch entsprechende Nachfragen leicht ausgeräumt werden.[6] Entsprechend sollte anlässlich der ohnehin geplanten redaktionellen Anpassung der Verweisung in § 1598 Abs. 1 Satz 1 klargestellt werden, dass ein Verstoß gegen § 1597 Abs. 2 BGB nicht zur Unwirksamkeit der jeweils betroffenen Erklärung führt. Dem folgend könnte der Verweis in § 1598 Abs. 1 Satz 1 BGB-E auf die §§ 1594 bis 1596 BGB sowie § 1597 Abs. 1 und Abs. 3 BGB beschränkt werden.
D. Wiederaufgreifen der Reformüberlegungen zur besseren Verhinderung missbräuchlicher Vaterschaftsanerkennungen
Zuletzt regen wir an, nach Abschluss des vorliegenden Gesetzgebungsverfahrens die in der letzten Legislaturperiode angestellten Reformüberlegungen zur besseren Verhinderung missbräuchlicher Vaterschaftsanerkennungen wieder aufzunehmen, die der Diskontinuität anheimgefallen sind. Der gegenwärtig mit § 1597a BGB verfolgte Ansatz bereitet in der notariellen Praxis weiterhin Probleme und ist wenig effektiv.
I. Praktische Probleme des derzeitigen Regelungsmodells
Nach § 1597a Abs. 2 BGB ist die beurkundende Stelle bislang verpflichtet, die Beurkundung auszusetzen, wenn konkrete Anhaltspunkte für eine missbräuchliche Vaterschaftsanerkennung bestehen. In diesem Fall ist nach Anhörung des Anerkennenden sowie der Mutter die nach § 85a AufenthG zuständige Behörde zu informieren. Solange die Beurkundung ausgesetzt ist, kann die Anerkennung nach § 1597a Abs. 3 BGB auch nicht wirksam von einer anderen Stelle beurkundet werden. Dieser Ansatz der Präventivkontrolle führt in der Praxis jedoch zu Problemen, die sich auch auf die Effektivität der Kontrolle auswirken können.
Notarinnen und Notare unterliegen einerseits der Urkundsgewährungspflicht nach § 15 Abs. 1 BNotO, wonach sie eine verlangte Beurkundung nur aus triftigem Grund ablehnen dürfen. Andererseits unterliegen sie gemäß § 18 Abs. 1 BNotO, § 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB einer strafbewehrten Verschwiegenheitspflicht über alles, was ihnen im Rahmen ihrer Amtstätigkeit bekannt geworden ist. Ohne ausdrückliche gesetzliche Grundlage ist es ihnen daher untersagt, ein Beurkundungsverfahren auszusetzen oder Informationen darüber an Behörden weiterzugeben. Diese Vorgaben sichern eine flächendeckende notarielle Versorgung der rechtsuchenden Bevölkerung und schützen das Vertrauensverhältnis zwischen Notarin bzw. Notar und den Beteiligten.
Die in § 1597a Abs. 2 BGB vorgesehenen Mitteilungs- und Aussetzungspflichten stellen zwar gesetzlich geregelte Durchbrechungen dieser Pflichten dar, greifen jedoch nur bei Vorliegen konkreter Anhaltspunkte für eine missbräuchliche Vaterschaftsanerkennung. Das Vorliegen solcher Anhaltspunkte können Notarinnen und Notare jedoch kaum verlässlich prüfen, da sie auf die Angaben der Beteiligten angewiesen sind. Dies gilt insbesondere für das Bestehen einer vollziehbaren Ausreisepflicht (§ 1597a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGB) und die Stellung eines Asylantrags (§ 1597a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB). Eigene Nachforschungen – etwa durch Anfragen bei Ausländerbehörden – sind ihnen wegen der gesetzlichen Verschwiegenheitspflicht nicht erlaubt. Ohne hinreichende Anhaltspunkte sind Notarinnen und Notare daher verpflichtet, die gewünschte Beurkundung durchzuführen.
Da die Sperrwirkung gemäß § 1597a Abs. 3 BGB an die Aussetzung eines laufenden Beurkundungsverfahrens geknüpft ist, können unlautere Akteure diese Präventivkontrolle umgehen – etwa indem sie zunächst unter falscher Identität oder über Strohmänner Kontakt aufnehmen und diesen abbrechen, bevor ein Beurkundungsverfahren eingeleitet wird. In solchen Fällen läuft die Präventivkontrolle regelmäßig ins Leere.
II. Vorteile des in der letzten Legislaturperiode vorgeschlagenen Regelungsmodells
Vor diesem Hintergrund halten wir die in der letzten Legislaturperiode im Entwurf eines Gesetzes zur besseren Verhinderung missbräuchlicher Vaterschafsanerkennungen vorgesehene Lösung, Beurkundungsverfahren und Missbrauchsverdachtsprüfung organisatorisch zu trennen, für praxisgerecht.
Die beurkundenden Stellen hätten demnach die Aufgabe, die Beteiligten im Beurkundungsverfahren darüber zu belehren, dass zur Wirksamkeit der Vaterschaftsanerkennung die Zustimmung der Ausländerbehörde erforderlich sein kann (§ 17 BeurkG bzw. § 44 Abs. 4 PStG-E). Das Standesamt würde vor Eintragung des Vaters in den Geburtseintrag des Kindes prüfen, ob die Zustimmung der Ausländerbehörde tatsächlich erforderlich ist (§ 44 Abs. 3 PStG-E i. V. m. § 85a Abs. 1 AufenthG-E). Auf Antrag der Beteiligten nähme die Ausländerbehörde dann die Prüfung vor, ob diese Zustimmung erteilt werden kann, d.h. ob ein Missbrauchsfall vorliegt (§ 85a Abs. 3, 4, 5 AufenthG-E).
Diese Lösung würde insbesondere das bislang durch § 1597a BGB bestehende Spannungsverhältnis zwischen notarieller Verschwiegenheitspflicht sowie der Urkundsgewährungspflicht einerseits und dem öffentlichen Interesse an einer Verhinderung missbräuchlicher Vaterschaftsanerkennung andererseits gerecht werden. Auch die bislang bestehenden einfachen Umgehungsmöglichkeiten würden beseitigt.
[1] Vgl. S. 18 des Referentenentwurfs (Hervorhebung durch Verfasser): „Hinsichtlich der Anerkennung der Vaterschaft kommt es vor allem darauf an, ob sie im Zeitpunkt des Inkrafttretens wirksam war (und zur Vater-Kind-Zuordnung geführt hat) oder nicht. Bereits wirksame Anerkennungen der Vaterschaft bleiben wirksam. Insbesondere tritt die Anerkennungssperre während eines laufenden gerichtlichen Feststellungsverfahrens nicht rückwirkend ein. Anders verhält es sich, wenn die Anerkennung der Vaterschaft bei Inkrafttreten noch nicht wirksam war, insbesondere bei schwebender Unwirksamkeit. Dann gilt das neue Recht für die Beurteilung, ob die Anerkennung der Vaterschaft wirksam ist.“
[2] Vgl. MüKoBGB/Wellenhofer, 9. Aufl. 2024, BGB § 1597 Rn. 1.
[3] Vgl. MüKoBGB/Wellenhofer, 9. Aufl. 2024, BGB § 1597 Rn. 1.
[4] Vgl. MüKoBGB/Wellenhofer, 9. Aufl. 2024, BGB § 1597 Rn. 8 m. w. N.
[5] Vgl. MüKoBGB/Wellenhofer, 9. Aufl. 2024, BGB § 1597 Rn. 8 m. w. N.
[6] Vgl. MüKoBGB/Wellenhofer, 9. Aufl. 2024, BGB § 1597 Rn. 8 m. w. N.
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