Stellungnahme vom 30.07.2025

Referentenentwurf eines Gesetzes zur Stärkung der genossenschaftlichen Rechtsform

Zusammenfassung:

Der vorliegende Referentenentwurf enthält umfassende gesetzgeberische Anpassungen des Genossenschaftsgesetzes und damit zusammenhängender Regelungen. Die Stellungnahme der Bundesnotarkammer beschränkt sich auf einzelne darin enthaltene Regelungen mit Bezug zur notariellen Praxis.

Die Erstreckung der verpflichtenden notariellen Vorabprüfung und Einreichung auf Anmeldungen zum Genossenschaftsregister begrüßen wir ausdrücklich. Durch Notarinnen und Notare als vorgeschaltete Instanz können fehlerhafte Anmeldungen und in der Folge auch Eintragungen vermieden, Eintragungsverfahren beschleunigt und Gerichte in mehrfacher Hinsicht entlastet werden (A.).

Bedenken begegnet hingegen der Vorschlag, für nachträgliche Änderungen des Namens und des Wohnorts eines eingetragenen Vorstandsmitglieds, Liquidators oder Prokuristen eine bloße Anzeige an das Registergericht genügen zu lassen. Dies stellt nicht nur einen Widerspruch zu bewährten Grundprinzipien im Registerwesen dar. Mangels sorgfältiger Identitätskontrolle würde auch die Publizitätswirkung sowie die Verlässlichkeit des Genossenschaftsregisters und damit im Ergebnis auch die Rechtsform der Genossenschaft erheblich geschwächt. Es entstünde eine empfindliche Lücke im engmaschigen System zur Prävention von Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung und Sanktionsumgehung im Kapitalgesellschaftsrecht. Darüber hinaus würde eine erhebliche Beeinträchtigung der Verlässlichkeit der im Transparenzregister hinterlegten Informationen drohen. Dies würde die Integrität und Aussagekraft dieses zentralen Instruments zur Ermittlung wirtschaftlich Berechtigter im Kampf gegen Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung nachhaltig entwerten. Ferner würden die Registergerichte entgegen dem gesetzgeberischen Ziel mit organisatorischem, personellem und finanziellem Mehraufwand belastet. Im Übrigen sind digitale Anmeldungen nachträglicher Änderungen zum Genossenschaftsregister schon heute niederschwellig möglich. Die vorgeschlagene Unterzeichnung der Anzeige mittels qualifizierter elektronischer Signatur bzw. die Einreichung dieser über einen „sicheren Übermittlungsweg“ im Sinne des § 130a ZPO entspricht nicht dem Schutzniveau und würde außerdem zu einer unnötigen Verkomplizierung der bestehenden Prozesse führen. Es besteht folglich kein Bedarf für ein Absenken der Schutzstandards (B.).

Im Einzelnen:

A. § 378 Abs. 3 FamFG-E

Gemäß § 378 Abs. 3 Satz 1 FamFG haben Notarinnen und Notare bestimmte Anmeldungen in Registersachen vor ihrer Einreichung beim Registergericht auf ihre Eintragungsfähigkeit hin zu prüfen. Anmeldungen zum Genossenschaftsregister waren von dieser Prüfpflicht bislang nicht erfasst.

§ 378 Abs. 3 Satz 1 FamFG‑E erstreckt die notarielle Prüfpflicht auf Anmeldungen zum Genossenschaftsregister, um die Registergerichte zu entlasten und zu einer Beschleunigung der Eintragungsverfahren beizutragen.[1] In der Konsequenz sieht § 378 Abs. 3 Satz 2 FamFG‑E vor, dass Anmeldungen zum Genossenschaftsregister verpflichtend durch eine Notarin bzw. einen Notar einzureichen sind. Dadurch soll gewährleistet werden, dass die Registergerichte strukturierte Datensätze erhalten, die sie direkt weiterverarbeiten können.[2]

Beide Änderungen begrüßen wir. Die mit § 378 Abs. 3 FamFG einhergehende Filter- und Entlastungsfunktion durch Notarinnen und Notare dient der Sicherung der hohen Qualität, Schnelligkeit und Effizienz der registergerichtlichen Eintragungsverfahren und hat in den bislang erfassten Registerverfahren zu einer Entlastung der Registergerichte sowie zu einer Beschleunigung der Eintragungsverfahren geführt.[3] Die Vorschrift stellt nicht nur sicher, dass ausschließlich vollständige und sachgerecht formulierte Anmeldungen an das Registergericht geschickt werden, sondern garantiert darüber hinaus auch eine sachkundige Vorabkontrolle durch die Notarin bzw. den Notar. Gerichte sollen vor untauglichen Antragstellungen bewahrt und dadurch entlastet werden. Gerade mit Blick auf die nicht unerheblichen Prüfpflichten des Registergerichts (vgl. § 11a Abs. 1 und 2 GenG) trägt die notarielle Mitwirkung erheblich zur Entlastung der Registergerichte bei. Dies gilt umso mehr, als Registergerichte von Notarinnen und Notaren die maßgeblichen Daten der Genossenschaft aufbereitet als strukturierte Datensätze erhalten, die sie per Mausklick in ihr eigenes System übernehmen und automatisch weiterverarbeiten können.

Dieses „Vier-Augen-Prinzip“ war schon vor seiner gesetzlichen Normierung für Anmeldungen zum Handels-, Gesellschafts- und Vereinsregister (§ 378 Abs. 3 FamFG) sowie Grundbuchanträge (§ 15 Abs. 3 GBO)[4] gelebte Rechtspraxis[5] und hat sich bestens bewährt. Es stärkt nicht nur die Verlässlichkeit der Eintragungen in den mit Publizitätswirkung versehenen Registern und beschleunigt die jeweiligen Eintragungsverfahren, sondern führt auch zu einer erheblichen Entlastung der Registergerichte. Seitens der registergerichtlichen Praxis wird berichtet, dass die meisten Verzögerungen bei der Eintragung im Genossenschaftsregister auf unvollständigen oder unzureichenden Unterlagen der Anmelderinnen und Anmelder beruhen.[6] Durch die Ausweitung des § 378 Abs. 3 FamFG auf Anmeldungen zum Genossenschaftsregister kann insoweit Abhilfe geschaffen werden.

Die in § 378 Abs. 3 FamFG-E vorgesehene Ausweitung der notariellen Vorprüfung auf Anmeldungen zum Genossenschaftsregister ist daher positiv zu bewerten.

B. Änderungen des Namens oder des Wohnorts eingetragener vertretungsberechtigter Personen durch bloße Anzeige

Das Genossenschaftsregister enthält u.a. Angaben zum Namen und Wohnort der Vorstandsmitglieder der Genossenschaft, § 18 Abs. 1 Satz 3 GenRegV. Gemäß § 28 Satz 1 GenG ist jede Änderung des Vorstands anzumelden, wobei bislang nicht explizit geregelt ist, ob hierunter auch nachträgliche Änderungen des Namens sowie des Wohnorts der Vorstandsmitglieder fallen; nach wohl einhelliger Ansicht ist dies mit Blick auf die Bedeutung der Registerpublizität und der Registerklarheit jedenfalls für die Namensänderung der Fall.[7]

Gemäß § 28 Satz 3 GenG‑E, § 18 Abs. 2 GenRegV‑E sollen sowohl Änderungen des Namens als auch des Wohnorts eines eingetragenen Vorstandsmitglieds künftig nicht mehr förmlich mittels öffentlich beglaubigter Erklärung zum Genossenschaftsregister angemeldet werden. Stattdessen soll die bloße Anzeige durch ein Vorstandsmitglied genügen, die direkt durch das Vorstandsmitglied an das Registergericht erfolgen soll. Selbiges soll für die Änderung des Namens oder des Wohnorts eines bereits eingetragenen Liquidators, § 84 Abs. 1 Satz 3 GenG-E, § 20 Abs. 3 GenRegV-E, § 18 Abs. 2 GenRegV-E, sowie eines bereits eingetragenen Prokuristen, § 18 Abs. 3 und Abs. 2 GenRegV-E, gelten.

Dies stellt nicht nur einen Widerspruch zum bewährten System der präventiven Eingangskontrolle sowie dem Vier-Augen-Prinzip im Registerwesen dar (I.). Mangels sorgfältiger Identitätskontrolle würde dadurch auch die Rolle des Genossenschaftsregisters als verlässliches Register mit Publizitätswirkung und damit auch die Rechtsform der Genossenschaft – entgegen dem Ziel des Referentenentwurfs – erheblich geschwächt (II.). Im engmaschigen Schutz- und Kontrollsystem der Kapitalgesellschaften würden Schutzlücken entstehen, die für kriminelle Zwecke, insb. für Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung und Sanktionsumgehung, ausgenutzt werden können (III.). Gleichzeitig würde auch die Verlässlichkeit der Angaben im Transparenzregister leiden (IV.). Die Registergerichte würden entgegen dem gesetzgeberischen Ziel mit organisatorischem, personellem und finanziellem Mehraufwand belastet (V.). Im Übrigen besteht aufgrund der notariellen Online-Verfahren im Genossenschaftsrecht bereits nach geltender Rechtslage die Möglichkeit, Namens- und Wohnortänderungen in unkomplizierter und effizienter Weise digital anzumelden, sodass kein Bedarf für ein Abweichen vom bisherigen Schutzniveau besteht. Die Unterzeichnung mittels qualifizierter elektronischer Signatur bzw. der Versand über einen sicheren Übermittlungsweg hat sich bei Bürgerinnen und Bürgern in der Praxis nicht durchgesetzt und würde daher zu einer unnötigen Verkomplizierung bestehender Prozesse führen (VI.).

Jedenfalls mit Blick auf Namensänderungen sollte daher nicht von dem Grundsatz der öffentlich beglaubigten Anmeldung abgewichen werden.

I. Widerspruch zu bewährten Grundprinzipien im Registerwesen

Grundsätzlich erfolgen Eintragungen in die mit Publizitätswirkung versehenen Register auf der Grundlage öffentlich beglaubigter Anmeldungen, vgl. etwa § 12 Abs. 1 Satz 1 HGB, § 707b Nr. 2 BGB, § 157 Satz 1 GenG, § 77 Abs. 1 Satz 1 BGB, § 5 Abs. 2 PartGG. Die lückenlose präventive Eingangskontrolle durch die Notarinnen und Notare in Kombination mit dem in § 378 Abs. 3 FamFG verankerten Vier-Augen-Prinzip, das nun auch auf das Genossenschaftsregister erstreckt werden soll, gewährleistet bestmöglichen Schutz vor Falscheintragungen. Letztlich bilden diese Grundprinzipien die Grundlage für die weitreichende Gutglaubenswirkung der deutschen Register. In konsequenter Fortschreibung dieser Grundsätze geht die ganz herrschende Literaturansicht bei Gesellschaften mit beschränkter Haftung (§ 39 Abs. 1 GmbHG)[8] und Aktiengesellschaften (§ 81 AktG)[9] davon aus, dass auch nachträgliche Namensänderungen bereits eingetragener vertretungsberechtigter Personen in öffentlich beglaubigter Form zum Register anzumelden sind.

Von diesem bekannten und bewährten System rückt der Referentenentwurf nun ab, indem er vorsieht, dass Namens- und Wohnortwechsel bereits eingetragener vertretungsberechtigter Personen künftig ohne notarielle Präventivkontrolle beim Registergericht angezeigt werden können. Die Eintragung würde sodann ohne notariellen Vorfilter erfolgen. Dies ist nicht nur systemfremd, sondern mangels doppelter Kontrolle fehleranfälliger und steht im direkten Widerspruch zu den Grundprinzipien des deutschen Registerwesens. Überdies läuft die vorgesehene Regelung aktuellen Bestrebungen auf EU-Ebene zuwider. Im Rahmen der Digitalisierungsrichtlinie II[10] wurde die öffentliche Präventivkontrolle gesellschaftsrechtlicher Registereintragungen bei Neugründungen aufgrund ihrer hervorgehobenen Bedeutung erst kürzlich verpflichtend eingeführt.

II. Entwertung der Publizitätswirkung des Genossenschaftsregisters

Dem Genossenschaftsregister kommt im Hinblick auf die dort eingetragenen vertretungsberechtigten Personen grundsätzlich Publizitätswirkung zu, § 29 GenG, § 42 Abs. 1 Satz 3 GenG, § 86 GenG. Auch an unrichtige Eintragungen muss sich die Genossenschaft nach § 29 Abs. 3 GenG unter den dort genannten Umständen binden lassen. Ist eine bestimmte Person als vertretungsberechtigtes Organ im Register eingetragen, kann diese grundsätzlich wirksam Rechtsgeschäfte im Namen der Genossenschaft abschließen. Der Genossenschaft droht unter Umständen eine unbegrenzte Haftung.

Diese weitreichende Wirkung des Gutglaubensschutzes kann – auch vor dem Hintergrund der Eigentumsgarantie aus Art. 14 GG – nur insoweit seine Rechtfertigung finden, als sichergestellt ist, dass unrichtige Eintragungen bestmöglich verhindert werden. Die rechtliche Grundlage hierfür bildet die gründliche Eingangskontrolle durch Notarinnen und Notare. Diese sorgen für die Richtigkeit der Eintragungen im Genossenschaftsregister. Im Rahmen der öffentlichen Beglaubigung identifizieren Notarinnen und Notare die Beteiligten rechtssicher anhand eines amtlichen Lichtbildausweises, § 40 Abs. 4 BeurkG i.V.m. § 10 Abs. 1 und 2 BeurkG, und stellen die Vertretungsberechtigung fest. Die Genossenschaft und auch der Rechtsverkehr werden so effektiv vor Falscheintragungen geschützt.

Anders als in der Begründung des Referentenentwurfs ausgeführt,[11] kann eine ausreichende Sicherheit der nachträglichen Anzeigen nicht dadurch gewährleistet werden, dass die Anzeige zum Registergericht mit einer qualifizierten elektronischen Signatur (qeS) versehen ist bzw. über einen sog. sicheren Übermittlungsweg im Sinne des § 130a ZPO eingereicht wird. Die qualifizierte elektronische Signatur stellt für sich genommen kein Identifizierungsmittel, sondern lediglich eine „digitale Unterschrift“ dar. Eine Identifizierung findet beim Auslösen der qeS nicht statt. Daher ist gerade nicht sichergestellt, dass eine vertretungsberechtigte Person die Anzeige vornimmt. So können etwa die Mittel, die für das Auslösen der qeS benötigt werden, entwendet oder an Unbefugte weitergegeben werden. Selbiges gilt für die Variante zur Übermittlung von Anzeigen über einen sicheren Übermittlungsweg im Sinne des § 130a ZPO.

Die in § 28 Satz 3 GenG‑E, § 18 Abs. 2 GenRegV‑E, § 84 Abs. 1 Satz 3 GenG-E, § 20 Abs. 3 GenRegV-E, § 18 Abs. 2 GenRegV-E, § 18 Abs. 3 und Abs. 2 GenRegV-E vorgesehene Änderung geht daher mit einer Absenkung des Schutzniveaus bei der Änderung des Namens oder des Wohnorts einer eingetragenen vertretungsberechtigten Person einher. Zwischen der erstmaligen Eintragung eines Vorstandsmitglieds und der nachträglichen Änderung dieser Daten besteht jedoch kein qualitativer Unterschied, der eine derartige Absenkung rechtfertigen würde. Sowohl der erstmaligen Eintragung als auch der nachträglichen Änderung insbesondere des Namens der vertretungsberechtigten Personen kommt die weitreichende Gutglaubenswirkung nach § 29 GenG zu. Auch an nachträgliche Änderungen der persönlichen Daten muss sich die Genossenschaft somit binden lassen, sobald diese im Genossenschaftsregister verlautbart sind. Falscheintragungen sind mit dem gleichen weitreichenden Risiko für die Genossenschaft verbunden. Die Ersteintragung und deren inhaltliche Änderung unterscheiden sich einzig im zeitlichen Kontext, nicht aber in deren Wirkung für und gegen die Genossenschaft und gegenüber Dritten. Auch vor diesem Hintergrund ist eine Absenkung der Anforderungen an das Schutzniveau nicht gerechtfertigt.

Überdies führt eine Abkehr von dem Grundsatz der gründlichen Eingangskontrolle durch die Notarinnen und Notare langfristig zu einer empfindlichen Absenkung der Verlässlichkeit des deutschen Genossenschaftsregisters. Dabei hat der erst im Jahr 2024 vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz durchgeführte Praxischeck zu beurkundungsbedürftigen Vorgängen im GmbH- und Vereinsrecht[12] gezeigt, dass die Mitwirkung der Notarinnen und Notaren im Registerwesen zu einer besonderen Verlässlichkeit der deutschen Handels- und Vereinsregister führt.[13] Dazu heißt es ausdrücklich, die Register würden einen einfachen, günstigen und verlässlichen Nachweis über die Rechtsverhältnisse der Gesellschaft bzw. des Vereins im Rechtsverkehr ermöglichen. Die notarielle Mitwirkung sei hierzu „als Vorfilter nötig“ und wirke sich damit unmittelbar wirtschaftlich vorteilhaft für die Unternehmen und Vereine aus.[14] Nichts anderes gilt für das Genossenschaftsregister. Der Rechts- und Wirtschaftsverkehr kann sich beim Kontakt mit Genossenschaften bislang aufgrund der lückenlosen Eingangskontrolle auf die Eintragungen im Register verlassen. Könnten künftig Namens- und/oder Wohnortänderungen eingetragener vertretungsberechtigter Personen auch ohne eine entsprechende Eingangskontrolle beim Registergericht angezeigt werden, würde das Vertrauen des Rechtsverkehrs in die Eintragungen im Genossenschaftsregister empfindlich geschwächt. Denn anders als bei der erstmaligen Eintragung würde bei der nachträglichen Änderung auf die sorgsame Identifizierung durch die Notarinnen und Notare verzichtet. Unbefugte könnten Daten der Vorstandsmitglieder, Liquidatoren und Prokuristen nachträglich abändern, sodass der Rechtsverkehr nicht mehr verlässlich davon ausgehen könnte, dass die im Genossenschaftsregister namentlich eingetragene Person tatsächlich zur Vertretung legitimiert ist.

In der Folge würde die Leichtigkeit des Rechtsverkehrs unter der derart lückenhaften Inputkontrolle leiden. Bei der Überprüfung, ob eine bestimmte Person berechtigt ist, die Genossenschaft zu vertreten, würde nicht mehr der bloße Blick in das Genossenschaftsregister genügen. Wer künftig Geschäfte mit einer Genossenschaft tätigen möchte, müsste sich – wie in anderen Rechtskreisen üblich – auf andere Weise, etwa durch Einholung von zeit- und kostenintensiven Gutachten oder Bescheinigungen, Gewissheit über die vertretungsberechtigten Personen verschaffen.

Jedenfalls der Wegfall von Vor- und Nachnamen als verlässliche Identifikationsmerkmale wird die Funktion des Genossenschaftsregisters daher erheblich beeinträchtigen. Die Rechtsform der Genossenschaft würde hierdurch geschwächt, was dem erklärten Ziel des Referentenentwurfs zuwiderliefe.

III. Erhebliche Missbrauchsgefahr

Aus Sicht der Genossenschaften droht insoweit ein erhebliches Missbrauchspotential, weil ohne eine notarielle Identitätsprüfung Änderungen an ihrem Eintrag im Genossenschaftsregister erfolgen können. Die Eintragung einer bestimmten Person als vertretungsberechtigtes Organ der Genossenschaft ist faktisch mit einem unbegrenzten Zugriff auf das gesamte Vermögen der Genossenschaft verbunden. Auf diese Weise können sich Betrüger rechtswidrig Verfügungsgewalt über das Vermögen verschaffen und dieses für kriminelle Zwecke missbrauchen (sog. „corporate hijacking“ bzw. „Corporate Identity Theft“). Während entsprechende Phänomene in Deutschland keine Rolle spielen, verursachen sie in Rechtsordnungen ohne präventive Kontrollmechanismen massive Probleme und beträchtliche wirtschaftliche Schäden. So warnt etwa das britische Companies‘ House vor bis zu 100 Fällen von Corporate Identity Theft pro Monat, bei denen Betrüger insbesondere auch die Angaben zu den Geschäftsführern manipulieren.[15]. Zudem muss das Companies‘ House die rechtsuchende Bevölkerung auf dessen Website ausdrücklich darauf hinweisen, dass Registereintragungen möglicherweise unzutreffend sind.[16]

Aus Sicht der Allgemeinheit wird im Recht der Kapitalgesellschaften eine empfindliche Lücke im engmaschigen System zur Bekämpfung von Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung und Sanktionsumgehung geschaffen. Könnten zentrale Angaben vertretungsberechtigter Personen nachträglich ohne notarielle Kontrolle und ohne rechtssichere Identifizierung geändert werden, tun sich Geldwäscher leicht, Identitäten zu fälschen und Strukturen zu verschleiern. Notarinnen und Notare wären mangels zuverlässiger Angaben im Genossenschaftsregister bei Folgegeschäften, wie etwa einem Immobilienerwerb durch die Genossenschaft, nicht mehr in der Lage, ihre geldwäscherechtlichen Pflichten zuverlässig zu erfüllen. Beurkundungsverbote, aber auch erhöhte Sorgfalts- oder Meldepflichten der Notarinnen und Notare würden so mangels Erkennbarkeit der tatsächlichen Identität des Handelnden ins Leere laufen. Auch insofern steht der Entwurf im Widerspruch zu aktuellen Entwicklungen auf unionsrechtlicher Ebene im Rahmen des Europäischen Geldwäschepakets.

IV. Verlässlichkeit des Transparenzregisters würde leiden

Änderungen des Namens oder des Wohnorts des wirtschaftlich Berechtigten müssen unverzüglich auch der registerführenden Stelle des Transparenzregisters zur Eintragung mitgeteilt werden, § 20 Abs. 1 Satz 1, § 19 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3 GwG. Bei einer Genossenschaft wird im Regelfall der Vorstand der fiktive wirtschaftlich Berechtigte i.S.v. § 3 Abs. 2 Satz 4 GwG sein. Die Nichtanzeige entsprechender Änderungen zum Transparenzregister stellt gemäß § 56 Abs. 1 Nr. 55 lit. c GwG eine Ordnungswidrigkeit dar und kann mit einer Geldbuße von bis zu 150.000 Euro geahndet werden. Diese stetige Aktualisierungspflicht der im Transparenzregister eingetragenen Daten wird in der Praxis häufig übersehen. Notarinnen und Notare weisen in der Regel im Rahmen des Beglaubigungstermins auf diese Pflicht hin. Dadurch sorgen sie einerseits für zuverlässige und aktuelle Eintragungen im Transparenzregister und bewahren die Beteiligten andererseits vor der Begehung von Ordnungswidrigkeiten.

Mangels notarieller Mitwirkung bei der bloßen Anzeige der Namens- oder Wohnortänderung zum Genossenschaftsregister käme es in Zukunft vermehrt zu veralteten Angaben im Transparenzregister. Strafverfolgungs- und Ermittlungsbehörden sowie der FIU (Financial Intelligence Unit) würde die Ermittlung des wirtschaftlich Berechtigten unnötig erschwert. Dies stößt mit Blick auf eine effektive Verfolgung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung auf erhebliche Bedenken. Bei Inkongruenz zwischen den Eintragungen im Genossenschaftsregister und im Transparenzregister käme es außerdem vermehrt zu Unstimmigkeitsmeldungen durch die Verpflichteten nach § 23a Abs. 1 GwG. Dies würde nicht nur zu Mehraufwand bei der registerführenden Stelle des Transparenzregisters und bei den Beteiligten selbst führen, sondern ist auch geeignet empfindliche Verzögerungen bei Transaktionen und Investitionen zu verursachen.

V. Erhebliche Mehrbelastung für die Registergerichte

Der Referentenentwurf sieht vor, dass im Falle nachträglicher Änderungen des Namens oder des Wohnorts eines Vorstandsmitglieds, eines Liquidators oder eines Prokuristen eine formlose Anzeige unter Vorlage eines entsprechenden Nachweises direkt an das Registergericht erfolgt. Hierdurch werden auf Seiten der Registergerichte erhebliche organisatorische, personelle und finanzielle Aufwände verursacht, die zu einer Belastung der Justizverwaltungen sowie der Registerverfahren führen würden.

Im Rahmen von förmlichen Anmeldungen kommunizieren die Registergerichte direkt mit den Notarinnen und Notaren. Diese übernehmen für die Registergerichte die Entgegennahme der Anmeldungen, die Aufbereitung und Erfassung der Daten, die Identifizierung der Beteiligten und die Überprüfung der jeweiligen Vertretungsbefugnis. Anmeldungsunterlagen werden elektronisch in einem maschinenlesbaren und durchsuchbaren Datenformat an das Genossenschaftsregister übermittelt. Die ebenfalls von den Notarinnen und Notaren mitgelieferten strukturierten Datensätze können von den Registergerichten unkompliziert per einfachem Mausklick in das jeweilige Fachverfahren übernommen und automatisch weiterverarbeitet werden. Übertragungsfehler werden so effektiv verhindert. Bei Rückfragen müssen die Registergerichte sich nicht an die Anmeldenden selbst wenden, sondern können auf die Notarinnen und Notare zugehen, die als zentrale Ansprechpartner die Kommunikation mit den Anmeldenden übernehmen.

Müssten die Registergerichte für nachträgliche Änderungen des Namens und des Wohnorts künftig einen eigenen Publikumsverkehr eröffnen, müssten sie diese Aufgaben mit eigenem organisatorischen, personellen sowie finanziellen Kapazitäten stemmen, wodurch erheblicher Aufwand entstehen dürfte. Seitens der registergerichtlichen Praxis wird bereits jetzt berichtet, dass bei der Eintragung im Genossenschaftsregister die von den Anmeldenden beigebrachten Unterlagen häufig unvollständig oder unzureichend sind.[17] Ohne notariellen Vorfilter würde dieses Problem weiter verstärkt. Denn Notarinnen und Notare prüfen bei einer Namens- oder Wohnortänderung regelmäßig, ob die mitgebrachten Nachweise tatsächlich geeignet sind, die angemeldete Tatsache zu belegen. Ohne notarielle Eingangskontrolle ist damit zu rechnen, dass auch sachfremde Unterlagen eingereicht werden. Rückfragen und entsprechende Einreichungsbitten seitens der Registergerichte binden einerseits Ressourcen und führen andererseits zu Verzögerungen bei den Eintragungen.

Notarinnen und Notare stellen ferner nach allgemeinen datenschutzrechtlichen Grundsätzen sowie gemäß § 5a DONot sicher, dass die an die Registergerichte übermittelten Dokumente datenschutzrechtlichen Anforderungen genügen. Wären künftig formlose Anzeigen der Beteiligten direkt an die Registergerichte möglich, entfiele der notarielle Vorfilter auch in dieser Hinsicht. Registergerichte müssten die datenschutzrechtliche Prüfung bei Namens- und Wohnortwechseln ohne notarielle Unterstützung vornehmen.

VI. Digitale Anmeldung nachträglicher Änderungen bereits möglich

Schließlich besteht auch aus Sicht der Vorstandsmitglieder, Liquidatoren und Prokuristen kein Bedarf, von den hohen Schutzstandards des Genossenschaftsregisters abzuweichen. Anmeldungen zum Genossenschaftsregister können bereits jetzt bequem und einfach online beglaubigt werden, § 157 Satz 2 GenG. Durch das zweistufige Identifizierungsverfahren gemäß § 40a Abs. 4 Satz 2, § 16c BeurkG ist auch im Rahmen des digitalen Verfahrens eine rechtssichere Identifizierung der Beteiligten sichergestellt. Das Ziel des Gesetzesentwurfs, eine unkomplizierte Möglichkeit einzuräumen, nachträgliche Änderungen dem Registergericht digital anzeigen zu können, wird daher aktuell bereits erreicht, ohne dass hierdurch die Rechtsform der Genossenschaft aufgrund unzuverlässiger Register entwertet würde.

Die vorgeschlagene Änderung würde die derzeit bestehenden, gut funktionierenden Prozesse unnötig verkomplizieren. Denn die Verwendung qualifizierter elektronischer Signaturen bzw. der Versand von Dokumenten mittels sicherer Übermittlungswege gemäß § 130a ZPO ist in Deutschland kaum verbreitet. Die Bürgerinnen und Bürger sind mit deren Verwendung wenig vertraut. Vor diesem Hintergrund entstünde erheblicher Informationsbedarf und Administrationsaufwand, ohne dass die Bürgerinnen und Bürger umgekehrt von einem gegenüber dem aktuellen Stand vereinfachten Verfahren profitieren würden. Die Etablierung eines solchen Parallelprozesses dürfte eher zusätzliche Aufwände durch potentielle Unklarheiten hinsichtlich des einzuhaltenden Verfahrens bzw. des zuständigen Ansprechpartners verursachen. Dies würde insbesondere kleinere Genossenschaften mit begrenzten personellen Kapazitäten zusätzlich belasten.

 

[1] S. 76 des Referentenentwurfs.

[2] S. 76 des Referentenentwurfs.

[3] Vgl. BT Drs. 18/10607, S. 109.

[4] Gesetz zur Neuordnung der Aufbewahrung von Notariatsunterlagen und zur Einrichtung des elektronischen Urkundenarchivs, BGBl. I 2017, 1396.

[5] Vgl. BeckOK FamFG/Otto, 54. Ed. 1.6.2025, FamFG § 378 Rn. 22.

[6] S. 76 des Referentenentwurfs.

[7] Vgl. Beuthien, Genossenschaftsgesetz, 16. Aufl. 2018, § 28 Rn. 2.

[8] Vgl. Habersack/Casper/Löbbe, GmbHG Großkommentar/Paefgen, 3. Aufl. 2020, § 39 Rn. 29 m.w.N.

[9] Vgl. Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht/Dauner-Lieb, 6. Auflage 2024, § 81 Rn. 5.

[10] Richtlinie (EU) 2025/25 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Dezember 2024 zur Änderung der Richtlinien 2009/102/EG und (EU) 2017/1132 zur Ausweitung und Optimierung des Einsatzes digitaler Werkzeuge und Verfahren im Gesellschaftsrecht.  

[11] S. 59 des Referentenentwurfs.

[12] Abrufbar unter https://hdr4.bmj.de/SharedDocs/Publikationen/DE/Fachpublikationen/2024_Ergebnisse_Praxischeck_Vereins_GmbH_Recht.html?nn=110490.

[13] S. 4 der Ergebnisse des Praxischecks.

[14] S. 4 der Ergebnisse des Praxischecks.

[15] Vgl. https://www.gov.uk/guidance/protect-your-company-from-corporate-identity-theft, zuletzt abgerufen am 27.07.2025.

[16] Vgl. https://resources.companieshouse.gov.uk/serviceInformation.shtml, zuletzt abgerufen am 27.07.2025.

[17] S. 75, 76 des Referentenentwurfs.




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