Referentenentwurf eines Gesetzes zur Neuordnung aufsichtsrechtlicher Verfahren
Zusammenfassung:
Der Referentenentwurf eines Gesetzes zur Neuordnung aufsichtsrechtlicher Verfahren und zur Änderung weiterer Vorschriften im Bereich der rechtsberatenden Berufe enthält verschiedene Änderungen im Berufsrecht der rechtsberatenden Berufe. Die Stellungnahme der Bundesnotarkammer beschränkt sich auf die darin enthaltenen Regelungen, die einen Bezug zum notariellen Berufsrecht aufweisen.
Der Referentenentwurf erscheint überwiegend gelungen. Hinsichtlich der Neuregelung der Verwahrung von und der Einsichtnahme in notarielle Urkunden und Verzeichnisse, die über 100 Jahre alt sind, regen wir Anpassungen an (A.). Kritischeren Bedenken begegnet die vorgesehene Änderung der §§ 99 – 108a BNotO hinsichtlich der Ernennung notarieller Beisitzer bei den Oberlandesgerichten und beim Bundesgerichtshof. Das bestehende, in der Praxis erprobte Auswahl- und Ernennungsverfahren ehrenamtlicher Richterinnen und Richter wird dadurch unnötig verkompliziert und führt zu einem bürokratischen Mehraufwand (B.). Die vorgesehene Erweiterung der Funktion des Zentralen Vorsorgeregisters begrüßen wir und schlagen lediglich zwei Klarstellungen in der Gesetzesbegründung vor (C.).
Darüber hinaus regen wir im Hinblick auf praktische Bedürfnisse weitere Änderungen der Bundesnotarordnung an: In Anlehnung an die Begrenzung der Bürgenhaftung der Rechtsanwaltskammern bei der Abwicklung von Rechtsanwaltskanzleien in § 55 BRAO-E schlagen wir eine Regelung vor, die es den Notarkammern erlaubt, ausgeschiedene Notarinnen und Notare in Ausnahmefällen wegen defizitärer Notariatsverwaltungen in Regress zu nehmen (D.). Zuletzt regen wir an, durch eine Anpassung des Wortlauts des § 7 Abs. 7 Satz 2 Nr. 3 BNotO bestehende Rechtsunsicherheiten bei der Durchführung eines Aufforderungsverfahrens zu beseitigen (E.).
Im Einzelnen:
A. Verwahrung und Ablieferung von über 100 Jahre alten Urkunden und Verzeichnissen und Einsichtnahme in diese zu Forschungszwecken
Die vorgesehenen Änderungen hinsichtlich der Verwahrung notarieller Urkunden und Verzeichnisse, die über 100 Jahre alt sind, verfolgen das Ziel, die Aufbewahrung dieser Dokumente grundsätzlich auch dann in die Verantwortung der Landesarchive zu übergeben, wenn die entsprechenden Urkunden und Verzeichnisse vor dem 1. Januar 1950 erstellt wurden. Zu diesem Zweck entfällt die derzeit in § 51 Abs. 4 NotAktVV für diese Urkunden und Verzeichnisse vorgesehene dauernde Aufbewahrungspflicht mit Inkrafttreten des Gesetzes. Gemäß § 120 Abs. 1 Satz 5 BNotO-E müssen die betroffenen Unterlagen allerdings erst zum 1. Januar 2030 zur Übernahme angeboten werden.
Zu begrüßen ist, dass die Entwurfsbegründung klarstellt, dass die über 100 Jahre alten Urkunden und Verzeichnisse den Landesarchiven bereits vor dem 1. Januar 2030 zur Übernahme angeboten werden können und bei Ablehnung der Übernahme auch schon vor diesem Datum zu vernichten sind.[1] Nicht ausdrücklich geregelt ist jedoch, dass Urkunden und Verzeichnisse, bei denen die 100 jährige Verwahrungsfrist nach § 51 NotAktVV-E abgelaufen ist, bis zur Übernahme bzw. zur Vernichtung weiterhin zu verwahren sind. Dies dürfte sich zwar aus dem Sachzusammenhang ergeben, jedoch scheint eine ausdrückliche Erwähnung in der Gesetzesbegründung opportun.
Ferner soll die Einsichtnahme in notarielle Urkunden und Verzeichnisse, bei denen seit dem Beginn der Aufbewahrungsfrist mehr als 100 Jahre vergangen sind, künftig stets nach den Archivgesetzen der Länder erfolgen, § 18a Abs. 1 Satz 2 BNotO-E. Insofern ist darauf hinzuweisen, dass hiermit eine abzulehnende Rechtszersplitterung einhergeht. So richtet sich die Einsichtnahme in Urkunden und Verzeichnisse, bei denen seit dem Beginn der Aufbewahrungsfrist mehr als 70, jedoch nicht mehr als 100 Jahre vergangen sind, gemäß § 18a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BNotO-E nach den Vorgaben der §§ 18a ff. BNotO. Die Einsichtnahme in notarielle Urkunden und Verzeichnisse, bei denen seit Beginn der Aufbewahrungsfrist mehr als 100 Jahre vergangen sind, soll künftig hingegen nach dem Archivgesetz desjenigen Landes, in dem sie verwahrt werden, erfolgen. Die Einsichtnahme in diese Urkunden würde in der Folge nicht mehr bundeseinheitlich nach denselben Vorschriften des notariellen Berufsrechts erfolgen, sondern nach den individuellen Voraussetzungen der jeweiligen Landesarchivgesetze. Die dort vorgesehenen Voraussetzungen für die Einsichtnahme divergieren teils erheblich. Zudem führt die Regelung in der Praxis zu einer unnötigen Verkomplizierung des Einsichtnahmeverfahrens und zu vermeidbarem bürokratischen Mehraufwand für die Notarbüros. Denn Notarinnen und Notare müssten ihre Mitarbeitenden mit den Regelungen des jeweiligen Landesarchivgesetzes vertraut machen, obwohl Einsichtnahmeersuchen nach § 18a BNotO in der Praxis äußerst selten vorkommen. Der damit verbundene Aufwand der Notarinnen und Notare sowie deren Mitarbeitenden steht in keinem angemessenen Verhältnis zu dem Nutzen für die Einsichtnehmenden, zumal eine Einsichtnahme nach den Vorschriften der §§ 18a ff. BNotO stets möglich wäre. Im Interesse einer einheitlichen und praktikablen Rechtsanwendung wäre es daher sachgerechter, die Einsichtnahme stets nach den §§ 18a ff. BNotO zu gewähren, solange sich die Urkunden und Verzeichnisse noch in notarieller Verwahrung befinden.
B. Zu den Regelungen über die ehrenamtlichen Richterinnen und Richter, §§ 99-108a BNotO-E
Die vorgesehenen Änderungen in den §§ 99 – 108a BNotO-E regeln insbesondere das Auswahl- und Ernennungsverfahren notarieller Beisitzer bei den Notarsenaten an den Oberlandesgerichten bzw. am Bundesgerichtshof neu. Derzeit ernennen die Landesjustizverwaltungen (§ 103 Abs. 1 BNotO) bzw. das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (§ 108 Abs. 1 BNotO) die Beisitzer auf der Grundlage von Vorschlagslisten. Die Vorschlagslisten erstellen der Vorstand der Notarkammern (§ 103 BNotO) bzw. das Präsidium der Bundesnotarkammer (§ 108 BNotO).
Künftig sollen anstehende Neubesetzungen der Notarsenate vor Erstellung der Vorschlagslisten gegenüber den Mitgliedern der Kammern angekündigt und interessierten Notarinnen und Notaren dadurch die Möglichkeit zur Interessenbekundung gegeben werden (§§ 103 Abs. 3 Satz 2, 108 Abs. 3 BNotO-E). §§ 103 Abs. 6 Satz 1, 108 Abs. 3 BNotO-E sehen zudem Kriterien vor, nach denen die Landesjustizverwaltungen bzw. das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz unter den in der Vorschlagsliste genannten Kandidatinnen und Kandidaten die zu Ernennenden auszuwählen haben. Schließlich sollen gemäß §§ 103a Abs. 2, 108 Abs. 3 BNotO-E sowohl die Vorschlagsliste der Kammern, als auch die Auswahlentscheidung der Landesjustizverwaltung bzw. des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz anfechtbar sein.
I. Allgemeine Bedenken
Die Bundesnotarkammer sieht keinen Änderungsbedarf hinsichtlich des Auswahl- und Ernennungsverfahrens ehrenamtlicher Richterinnen und Richter in den Notarsenaten. Das bestehende Verfahren hat sich in der Praxis bewährt und gewährleistet eine ausgewogene, transparente und effiziente Zusammenarbeit zwischen Kammern und Landesjustizverwaltungen bzw. Bundesnotarkammer und dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz. Die vorgesehenen Änderungen würden dieses funktionierende, konfliktarme Verfahren ohne erkennbaren Nutzen verkomplizieren, bürokratisieren und streitanfällig machen. Die unnötige Bürokratisierung des in der Praxis gut funktionierenden Verfahrens läuft auch aktuellen Bestrebungen der Bundesregierung sowie dem erklärten Ziel des Koalitionsvertrages, das Ehrenamt zu entbürokratisieren[2], zuwider. Schließlich ist der die Vorschlagsliste nach § 103 Abs. 1 Satz 3 BNotO erstellende Vorstand der Notarkammer gemäß § 69 Abs. 2 Satz 3 BNotO ehrenamtlich tätig. Das gleiche gilt gemäß § 88 Satz 1 BNotO für die Mitglieder des Präsidiums der Bundesnotarkammer, die die Vorschlagsliste nach § 108 Abs. 1 Satz 2 BNotO erstellen. Auch die Beisitzerinnen und Beisitzer in den Notarsenaten bei den Oberlandesgerichten und beim Bundesgerichtshof sind ehrenamtlich tätig, §§ 104 Abs. 1 Satz 2, 108 Abs. 3 Satz 1 BNotO. Durch die vorgesehenen neuen Regulierungen entsteht diesen Ehrenamtlerinnen und Ehrenamtlern zusätzlicher Aufwand, dem kein erkennbarer praktischer Nutzen gegenübersteht. Dieser zusätzliche Aufwand könnte die vorgenannten Personen davon abhalten, ein solches Ehrenamt zu übernehmen. Schon heute ist es mitunter schwierig, ehrenamtlich Engagierte zu gewinnen – die neuen Regelungen werden diese Herausforderung nicht erleichtern.
Die Begründung zur Änderung der §§ 99 – 108 BNotO nimmt Bezug auf die Begründung der ähnlich lautenden Änderungen in der Bundesrechtsanwaltsordnung.[3] Danach soll die Neuregelung des Verfahrens dem Umstand Rechnung tragen, dass sich die Rechtsanwaltskammern über die Vorschlagslisten letztlich aussuchen können, welche Berufsangehörige ihre Entscheidungen überprüfen.[4] Auch Ewer, dessen Aufsatz in der Begründung zur Änderung der BRAO-Vorschriften mehrfach zitiert wird[5], kritisiert insofern im Wesentlichen, dass sich die zu kontrollierende Verwaltung derzeit ihre richterlichen Kontrolleure selbst aussuchen könne.[6] Bei der Änderung der §§ 99 – 108 BNotO bleibt jedoch außer Betracht, dass die gesetzgeberische Intention zur Änderung des Auswahl- und Ernennungsverfahrens ehrenamtlicher Richterinnen und Richter bei den Anwaltsgerichten und den Anwaltsgerichtshöfen nicht ohne Weiteres auf die Notarkammern bzw. die Bundesnotarkammer übertragbar ist.
Dies folgt zum einen daraus, dass die Notarsenate – anders als die Anwaltsgerichte (§ 94 Abs. 1 BRAO) und Anwaltsgerichtshöfe (§ 101 Abs. 3, § 104 BRAO) – mehrheitlich mit Berufsrichterinnen und Berufsrichtern und nicht mit ehrenamtlichen Richterinnen und Richtern besetzt werden (§§ 101, 106 BNotO). Die von der Notarkammer vorgeschlagenen Mitglieder der Senate sind daher stets in der Minderheit und in der Folge kommt ihren Stimmen kein vergleichbares Gewicht wie denjenigen ehrenamtlicher Richterinnen und Richter in der anwaltlichen Gerichtsbarkeit zu. Ferner besteht ein weiterer wesentlicher Unterschied zwischen anwaltlichen und notariellen Berufsgerichten, der aus der unterschiedlichen Stellung der berufsständischen Kammern resultiert. So entscheiden die Rechtsanwaltskammern selbst über die Erteilung, den Widerruf und die Rücknahme von Anwaltszulassungen. Den Notarkammern und der Bundesnotarkammer hingegen kommt keine Entscheidungskompetenz hinsichtlich der Besetzung von Notarstellen und der Amtsenthebung zu. Vielmehr obliegen diese Entscheidungen den Landesjustizverwaltungen (§§ 12, 50 Abs. 3 BNotO). Auch üben die Rechtsanwaltskammern gemäß § 73 Abs. 2 Nr. 4 BRAO die Aufsicht über die Rechtsanwältinnen und -anwälte aus, wohingegen das Recht der Aufsicht über die Notarinnen und Notare gemäß § 92 Abs. 1 BNotO nicht den Notarkammern, sondern grundsätzlich den Landgerichtspräsidentinnen und -präsidenten zusteht. Das Argument, dass die Rechtsanwaltskammern sich über die Erstellung der Vorschlagslisten letztlich die Kontrolleure ihrer eigenen Entscheidungen aussuchen können, ist vor diesem Hintergrund nicht auf die Notarkammern und die Bundesnotarkammer übertragbar. Auf diese Unterschiede geht die Entwurfsbegründung nicht ein.
II. Einführung einer Möglichkeit zur Interessenbekundung, § 103 Abs. 3 Satz 3 BNotO-E, § 108 Abs. 3 BNotO-E
Der Hinweis auf die Möglichkeit einer Interessenbekundung (§ 103 Abs. 3 Satz 3 BNotO-E) verursacht unnötige Bürokratie. In der Praxis hat sich gezeigt, dass die Mitglieder ihr Interesse an einer Ernennung zur Beisitzerin oder zum Beisitzer ohnehin eigeninitiativ gegenüber der jeweiligen Kammer kundtun. Angesichts dessen, dass die Notarkammern deutlich kleiner als die Rechtsanwaltskammern sind,[7] ist dem Vorstand der Notarkammern in aller Regel bekannt, welche Mitglieder Interesse an einer solchen Tätigkeit haben, sodass es in der Praxis nicht vorkommt, dass interessierte Mitglieder von einer anstehenden Vakanz bei den Berufsgerichten keine Kenntnis erlangen. Zudem steht es den Mitgliedern einer Kammer auch nach derzeitiger Rechtslage jederzeit frei, ihr grundsätzliches Interesse an der Übernahme eines solchen Ehrenamtes mitzuteilen.
Die vorgesehene Pflicht zum Hinweis auf die Möglichkeit einer Interessenbekundung verursacht bürokratischen Mehraufwand, da die Notarkammern künftig planen müssten, wann sie auf die Möglichkeit der Interessenbekundung hinweisen. Sodann müsste der Hinweis in der in §§ 103 Abs. 3 Satz 3 BNotO-E vorgesehenen Form erfolgen. Soweit es in der Folge zu Rückfragen der Mitglieder der Kammer kommt, müssten diese beantwortet werden. Geht eine Interessenbekundung bei der Notarkammer ein, müsste diese die in § 103 Abs. 3 Satz 4 BNotO-E genannten personenbezogenen Daten verarbeiten und wegen des Grundsatzes der Speicherbegrenzung nach Art. 5 Abs. 1 lit. e DSGVO überwachen, wann sie diese löschen müssen.
III. Festlegung von Auswahlkriterien, § 103 Abs. 6 BNotO-E, § 108 Abs. 3 BNotO-E
§ 103 Abs. 6 Satz 1 BNotO-E bestimmt, dass notarielle Beisitzer in den Notarsenaten bei den Oberlandesgerichten nach ihrer Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung auszuwählen sind. § 108 Abs. 3 BNotO-E verweist für die Auswahl notarieller Beisitzer im Notarsenat beim Bundesgerichtshof auf diese Regelung. Da die dort geregelten Kriterien aus Art. 33 Abs. 2 GG entnommen sind und daher ohnehin gelten,[8] bedarf es dieser erneuten Normierung nicht. Vielmehr dürfte die Normierung in Verbindung mit den Angaben in der Gesetzesbegründung für Rechtsunsicherheit sorgen, weil nicht alle der dort genannten Kriterien[9] zwingend auf eine (bessere) Eignung als ehrenamtliche Richterin oder ehrenamtlicher Richter schließen lassen. Dies gilt etwa für Veröffentlichungen, Promotionen und Habilitationen. Insofern stellen sich Folgefragen, etwa ob dabei die Zahl der Veröffentlichungen der Kandidatinnen und Kandidaten oder deren – schwer vergleichbare – inhaltliche Qualität herangezogen werden sollte. Auch wird nicht deutlich, warum aus einer Befähigung zum wissenschaftlichen Arbeiten (Promotion, Habilitation), die möglicherweise sogar in einem anderen Rechtsgebiet als dem notariellen Berufsrecht unter Beweis gestellt wurde, eine erhöhte Eignung für das Amt der ehrenamtlichen Richterin bzw. des ehrenamtlichen Richters folgt. Daher dürfte es sinnvoll sein, es bei Art. 33 Abs. 2 GG zu belassen und im Sinne der Regulierungssparsamkeit auf die Schaffung einer einfachgesetzlichen Norm zu verzichten, deren Nutzen fraglich ist und die potenziell zu Rechtsunsicherheit führen könnte.
IV. Möglichkeit zur Anfechtung der Vorschlagslisten bzw. der Auswahlentscheidung, § 103a Abs. 2 BNotO-E, § 108 Abs. 3 BNotO-E
§ 103a Abs. 2 BNotO-E bestimmt, dass sowohl die Vorschlagsliste der Notarkammern als auch die Ernennung der Beisitzer durch die Landesjustizverwaltung anfechtbar sind. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass etwaige unterlegene Interessentinnen und Interessenten durch Klageerhebung das Besetzungsverfahren blockieren könnten, da Klagen gegen die Ernennung der Beisitzerinnen und Beisitzer nach § 103a Abs. 2 BNotO-E i.V.m. § 111b Abs. 1 BNotO i.V.m. § 80 Abs. 1 VwGO aufschiebende Wirkung zukommen würde. Da in der Regel die Beisitzerinnen und Beisitzer gleichzeitig ernannt werden, würde eine unterlegene Interessentin bzw. ein unterlegener Interessent wohl alle Ernennungsentscheidungen gleichzeitig anfechten und könnte damit schlimmstenfalls sogar dafür sorgen, dass der Notarsenat vorübergehend nicht ordnungsgemäß besetzt werden kann.
C. Zur Erweiterung des Zentralen Vorsorgeregisters der Bundesnotarkammer, § 78a BNotO-E
§ 78a Abs. 2 Satz 2 BNotO-E sieht vor, dass künftig ergänzend zu einer Registrierung einer Vorsorgeverfügung auch eine elektronische Abschrift dieser in das Zentrale Vorsorgeregister der Bundesnotarkammer aufgenommen werden darf.
Die Änderung ist besonders zu begrüßen und stellt einen bedeutenden Schritt auf dem Weg zur Digitalisierung des Rechtswesens dar, die die Bundesnotarkammer weiterhin engagiert vorantreibt. Das Zentrale Vorsorgeregister der Bundesnotarkammer, das mit über 6,7 Mio. Registrierungen einen Dreh- und Angelpunkt der rechtlichen Vorsorge in Deutschland bildet, erhält für Bürgerinnen und Bürger sowie Justiz und Ärzteschaft einen weiteren erheblichen Mehrwert: Durch die Abrufbarkeit des Inhalts der Vorsorgeverfügungen im Register können Ärztinnen und Ärzte sowie Betreuungsgerichte im Vorsorgefall unmittelbar Einsicht nehmen und dadurch ihre Aufgaben schneller und effizienter wahrnehmen. Beispielsweise können Ärztinnen und Ärzte Patientenverfügungen direkt einsehen. Dem Selbstbestimmungsrecht der bzw. des Vorsorgenden wird hierdurch noch besser Rechnung getragen.
Lediglich in der Gesetzesbegründung sollte klargestellt werden, dass Widersprüche gegen das Notvertretungsrecht des Ehegatten nur dann nicht abgebildet werden sollen, soweit sich der Inhalt der Urkunde hierauf beschränkt. Soweit ein solcher Widerspruch hingegen in einer Urkunde gemeinsam mit einer anderen registerfähigen Vorsorgeverfügung, beispielsweise einer Vorsorgevollmacht oder Betreuungsverfügung enthalten ist, sollte der gesamte Inhalt der Urkunde bildlich wiedergegeben werden können. Insofern ist die Begründung im Referentenentwurf bislang missverständlich formuliert.[10]
Ebenfalls regen wir an, in die Begründung ausdrücklich aufzunehmen, dass die Einstellung einer elektronischen Abschrift im Zentralen Vorsorgeregister einer Vollmacht keine rechtliche Wirkung nach § 171 Abs. 1 Alt. 2 BGB erzeugt und auch darüber hinaus keinerlei Rechtsschein begründet. Nach § 171 Abs. 1 BGB kann ein Bevollmächtigter gegenüber einem Dritten aufgrund Rechtsscheinvollmacht handeln, wenn die Vollmacht öffentlich bekannt gemacht wurde oder einem bestimmten Adressaten durch den Vollmachtgeber mitgeteilt wurde. Das Einstellen einer Vorsorgeverfügung in das Zentrale Vorsorgeregister stellt bereits tatbestandlich keine öffentliche Bekanntmachung in diesem Sinne dar. Eine öffentliche Bekanntmachung durch Einstellen einer elektronischen Abschrift im Zentralen Vorsorgeregister, liegt bereits tatbestandsmäßig nicht vor. Anders als etwa im Handelsregister werden die Eintragungen im Zentralen Vorsorgeregister gerade nicht bekanntgemacht[11], ferner fehlt es auch an der Öffentlichkeit, da der Kreis der abrufberechtigten Stellen gem. § 78b Abs. 1 BNotO eng begrenzt ist.[12] Um Missverständnisse hinsichtlich der rechtlichen Wirkung der im Zentralen Vorsorgeregister hinterlegten elektronischen Abschrift zu vermeiden, sollte eine dahingehende ausdrückliche Klarstellung in die Gesetzesbegründung aufgenommen werden.
D. Zu defizitären Notariatsverwaltungen
Der Gesetzesentwurf sieht vor, dass die Bürgenhaftung der Rechtsanwaltskammern für die Fortführung laufender Verfahren bei der Abwicklung von Rechtsanwaltskanzleien künftig auf 10.000 Euro pro Abwicklung begrenzt wird, § 55 BRAO-E. Hintergrund ist, dass die Rechtsanwaltskammern in letzter Zeit für erhebliche Kosten im Zusammenhang mit der Abwicklung von Rechtsanwaltskanzleien aufkommen mussten.[13] Die Kosten der Abwicklung seien letztlich über die von den Mitgliedern der Rechtsanwaltskammern zu erhebenden Beiträge zu finanzieren. Dies führe zunehmend zu Problemen, insbesondere dann, wenn kleine Rechtsanwaltskammern hohe Kosten zu tragen hätten. Auch im Bereich einiger Kammern des Anwaltsnotariats sind vereinzelt erheblich verlustträchtige Notariatsverwaltungen aufgetreten, die ein Tätigwerden des Gesetzgebers aus Billigkeitsgründen opportun erscheinen lassen.
1. Hintergrund
Erlischt das Amt einer Notarin oder eines Notars, wird in der Praxis regelmäßig eine Notariatsverwaltung angeordnet, § 56 BNotO. Im Anwaltsnotariat beschränkt sich die Notariatsverwaltung regelmäßig auf die Abwicklung der Notarstelle. Dies zeigt sich insbesondere daran, dass die Notariatsverwalterin bzw. der Notariatsverwalter nur innerhalb der ersten drei Monate berechtigt ist, auch neue Notariatsgeschäfte vorzunehmen, § 56 Abs. 2 Satz 3 BNotO. Die Möglichkeit neue Gebühren zu vereinnahmen, die den Kosten der Verwaltung (wie insbesondere der Verwaltervergütung) gegenüberstehen ist damit im Rahmen der Abwicklungsverwaltung grundsätzlich beschränkt.
Die Notariatsverwalterin bzw. der Notariatsverwalter führt das Amt gemäß § 59 Abs. 1 BNotO grundsätzlich auf Rechnung der Notarkammer.[14] Gewinne und Verluste entstehen daher regelmäßig nicht bei dem Notariatsverwalter bzw. der Notariatsverwalterin oder der ausgeschiedenen Notarin dem bzw. ausgeschiedenen Notar, sondern ausschließlich bei der Kammer und damit wirtschaftlich bei der Gesamtheit der in ihr zusammengeschlossenen Notarinnen und Notare. Anders als die Rechtsanwaltskammern haften die Notarkammern daher nicht nur subsidiär als Bürgen.
In der Praxis kam es vereinzelt vor, dass eine Notarin oder ein Notar nach deren bzw. dessen Ausscheiden das Notaramt in einem ungeordneten und wirtschaftlich desolaten Zustand hinterlässt. Diesen wenigen problematischen Fällen gehen in der Praxis typischerweise schwerwiegende Pflichtverletzungen voraus, die eine Amtsenthebung (§ 50 BNotO) oder eine Entfernung aus dem Amt (§ 97 BNotO) rechtfertigen würden. Die Notarkammer trägt auch in diesen Fällen die aus der Notariatsverwaltung entstandenen Verluste. Die Verluste können allerdings in diesen wenigen Einzelfällen erhebliche Ausmaße annehmen. An die Bundesnotarkammer wurden Sachverhalte herangetragen, bei denen die Haushalte der betroffenen Kammern mit hohen, teils sechsstelligen Verlusten durch einen einzigen Fall belastet wurden – sämtliche Fälle betrafen Abwicklungsverwaltungen im Anwaltsnotariat.
2. Lücken der geltenden Rechtslage
Die geltende Rechtslage sieht keine Möglichkeit vor, die ausgeschiedene Notarin bzw. den ausgeschiedenen Notar für derartige durch ihr bzw. sein Fehlverhalten verursachte Verluste heranzuziehen, sodass die Gesamtheit der Notarinnen und Notare in dem Kammerbezirk die Kosten zu tragen hat. Da die Notarkammern deutlich kleiner sind als die Rechtsanwaltskammern, ist der auf jede einzelne Berufsträgerin bzw. auf jeden einzelnen Berufsträger entfallende Verlust größer. Dass die ausgeschiedene Notarin bzw. der ausgeschiedene Notar nicht in Regress genommen werden kann, folgt aus einem Beschluss des BGH aus dem Jahr 2008.[15] In seiner Entscheidung lässt der BGH jedoch anklingen, dass es zwar grundsätzlich Billigkeitserwägungen entspreche, für die Verfehlungen eines Notars bzw. einer Notarin diese bzw. diesen und nicht die Gesamtheit aller Notarinnen und Notare eines Kammerbezirks einstehen zu lassen.[16] Hierfür mangele es nach der derzeitigen Rechtslage allerdings an einer gesetzlichen Grundlage. Auch die nach dieser Entscheidung eingeführte Regelung des § 51a Abs. 2 BNotO ermöglicht keinen umfassenden Regress, weil sie eine Ersatzmöglichkeit nur hinsichtlich des Aufwands für die Instandsetzung von in ungeordnetem Zustand abgelieferter Akten und Verzeichnisse vorsieht, nicht aber für die weiteren Kosten, die bei einer derartigen Notariatsverwaltung typischerweise entstehen.
3. Lösungsvorschlag
Der Grundsatz, dass die Notariatsverwaltung– anders als die Abwicklung nach §§ 55 Abs. 3 Satz 1, 54 Abs. 1 Satz 1 BRAO – nicht auf Rechnung der ausgeschiedenen Berufsträgerin bzw. des ausgeschiedenen Berufsträgers durchgeführt wird, sollte weiterhin beibehalten werden. Dadurch wird sichergestellt, dass die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die ordnungsgemäße Wahrnehmung der Notargeschäfte an der vorübergehend unbesetzten Notarstelle gesichert sind.[17] Jedoch sollte die Notarkammer aus Billigkeitsgründen die Möglichkeit erhalten, in Ausnahmefällen die ehemalige Notarin bzw. den ehemaligen Notar wegen des aus einer Notariatsverwaltung entstehenden Verlustes in Anspruch nehmen zu können. Der Anwendungsbereich einer solchen Regelung könnte auf solche Fälle beschränkt sein, in denen die Notarin oder der Notar Pflichtverletzungen von erheblichem Gewicht begangen hat, etwa solche, die eine Amtsenthebung (§ 50 BNotO) oder eine Entfernung aus dem Amt (§ 97 BNotO) rechtfertigen würde. Denn in diesen Fällen erscheint es besonders unbillig, die Gesamtheit der Notarinnen und Notare aus einem Kammerbezirk für die Folgen des Fehlverhaltens eines einzelnen ausgeschiedenen Mitglieds einstehen zu lassen. Gegen eine solche Regelung bestehen auch aus gesetzessystematischer Sicht keine Bedenken, weil die Bundesnotarordnung den Rückgriff auf eine nicht mehr im Amt befindliche Person bereits in § 51a Abs. 2 BNotO ermöglicht. Auch insofern liegt die Ursache für diesen Rückgriff in Umständen aus der Zeit der Amtstätigkeit („nachwirkende Amtspflicht“[18]).
E. Zur Änderung von § 7 Abs. 7 Satz 2 Nr. 3 BNotO (Aufforderungsverfahren)
Das OLG Dresden hatte 2024 über die Klage eines Notarassessors zu entscheiden, der sich gegen die Aufforderung wendete, sich auf eine ausgeschriebene Notarstelle zu bewerben.[19] Dieses Verfahren und die ergangene Entscheidung bieten Anlass für zwei Klarstellungen.
I. Allgemeines
Gemäß § 7 Abs. 7 Satz 2 Nr. 3 BNotO kann ein Notarassessor aus dem Dienst entlassen werden, wenn er sich nach Ableistung des dreijährigen Anwärterdienstes ohne hinreichenden Grund um eine ihm von der Landesjustizverwaltung angebotene Notarstelle nicht bewirbt, die zuvor ausgeschrieben worden ist und die mangels geeigneter Bewerber nicht besetzt werden konnte. Diese Regelung soll der Landesjustizverwaltung die Besetzung abgelegener und weniger attraktiv erscheinender Notarstellen erleichtern, um auch in diesen Regionen die Versorgung der Bevölkerung mit notariellen Leistungen sicherzustellen.[20] Zugleich schützt das Aufforderungsverfahren auch die Rechte der noch nicht bestellungsreifen Notarassessorinnen und -assessoren, deren Bestellung sich durch eine fehlende Bewerbungsbereitschaft der ihnen vorgehenden Kolleginnen und Kollegen verzögert:[21] Aus dem Regelvorrang gemäß § 5a Satz 1 BNotO erwächst den landeseigenen Notarassessorinnen und -assessoren ein Anwartschaftsrecht hinsichtlich einer Notarstelle im „eigenen“ Bundesland.[22] Dieses Anwartschaftsrecht wird beeinträchtigt, wenn eine ausgeschriebene Notarstelle nicht mit einer landeseigenen Notarin bzw. einem landeseigenen Notar oder einer landeseigenen Notarassessorin bzw. einem landeseigenen Notarassessor besetzt wird, sondern mit einer auswärtigen Bewerberin oder einem auswärtigen Bewerber. Dadurch verlängert sich der Anwärterdienst für alle landeseigenen Notarassessorinnen und -assessoren. Diejenigen Notarassessorinnen und -assessoren, die noch nicht bewerbungsreif sind, können diese Verlängerung des Anwärterdienstes auch nicht abwenden.
II. Geeignete Bewerbungen i.S.v. § 7 Abs. 7 Satz 2 Nr. 3 BNotO sind nur solche landeseigener Notarinnen und Notare bzw. Notarassessorinnen und -assessoren
Die Frage, ob „geeignete Bewerbungen“ im Sinne des § 7 Abs. 7 Satz 2 Nr. 3 BNotO nur solche landeseigener Notarinnen und Notare bzw. Notarassessorinnen und -assessoren oder auch Bewerbungen externer Interessentinnen und Interessenten sind, wird in der Rechtsprechung unterschiedlich beantwortet.
1. Entscheidung des OLG Köln
So hat das OLG Köln im Jahr 2008 ausgeführt, dass auch nicht landeseigene Notarinnen und Notare bzw. Notarassessorinnen und -assessoren geeignete Bewerber im Sinne von § 7 Abs. 7 Satz 2 Nr. 3 BNotO sein können.[23] Seine Begründung stützt das OLG Köln darauf, dass auch diese Personen geeignet sein können, den Anforderungen an das notarielle Amt zu genügen und die flächendeckende Versorgung mit notariellen Leistungen gewährleisten können.[24] Dem ist insoweit zuzustimmen, als dass man auswärtigen Bewerberinnen und Bewerbern nicht pauschal die Eignung absprechen kann,[25] und als dass auch eine auswärtige Bewerberin oder ein auswärtiger Bewerber zur flächendeckenden Versorgung mit notariellen Leistungen beitragen kann. Nicht befasst hat sich das OLG Köln mit den Interessen der Notarassessorinnen und -assessoren, die noch nicht bewerbungsreif sind und deren Anwärterzeit sich durch die Besetzung von ausgeschriebenen Notarstellen mit auswärtigen Bewerberinnen und Bewerbern nicht unerheblich verlängert.
2. Entscheidung des OLG Dresden
Diesen Aspekt hingegen betont das OLG Dresden in seiner Entscheidung aus dem Jahr 2024, indem es ausführt, dass andernfalls „den Notarassessoren, die entsprechend dem prognostizierten Bedarf eingestellt und ausgebildet wurden, keine berufliche Perspektive in Gestalt einer zeitnahen Bestellung zum Notar geboten werden“ könne.[26] Den Notarassessorinnen und -assessoren erwachse damit ein Anwartschaftsrecht hinsichtlich des Notaramts, dem die Landesjustizverwaltung im Rahmen ihrer Fürsorgepflicht Rechnung tragen müsse.[27] Auch die Literatur erkennt die Schutzwürdigkeit des Interesses der landeseigenen Notarassessorinnen und -assessoren an und misst diesem Aspekt eine hohe Bedeutung zu.[28]
3. Interessenabwägung
Vorzugswürdig erscheint die Auffassung des OLG Dresden, wonach „geeignete Bewerbungen“ im Sinne des § 7 Abs. 7 Satz 2 Nr. 3 BNotO nur Bewerbungen landeseigener Notarassessorinnen und -assessoren und Notarinnen und Notaren sind. Infolgedessen kann ein Aufforderungsverfahren auch dann durchgeführt werden, wenn Bewerbungen von anderen Personen als landeseigenen Notarinnen und Notaren sowie Notarassessorinnen und -assessoren vorliegen. Hierfür streiten die Interessen der nicht bestellungsreifen (landeseigenen) Notarassessorinnen und -assessoren. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Ernennung auswärtiger Bewerberinnen und Bewerber zu einem „Stau“ bei der Bestellung bereits eingestellter, landeseigener Notarassessorinnen und -assessoren führen kann. Eine solche Verzögerung wirkt sich nicht nur nachteilig auf die betroffenen Notarassessorinnen und -assessoren und das diesen zustehende Anwartschaftsrecht auf ein Notaramt aus, sondern auch auf die Einstellungschancen solcher Juristinnen und Juristen, die eine Einstellung in den Anwärterdienst anstreben. Verzögert sich nämlich die Bestellung der landeseigenen Notarassessorinnen und -assessoren zur Notarin bzw. zum Notar, verringert sich der Bestand an verfügbaren Assessorinnen und Assessoren nicht wie erwartet. In der Folge wird die Landesjustizverwaltung aus personalpolitischen Erwägungen tendenziell weniger Neueinstellungen vornehmen. Das Notaramt wird für den juristischen Nachwuchs dadurch insgesamt unattraktiver.
Für diese Ansicht sprechen aber nicht nur personalplanerische Erwägungen für den Kammerbezirk, in dem die Stelle ausgeschrieben ist, sondern auch die Personalplanung für den Kammerbezirk, dessen Mitglied den Wechsel in den anderen Kammerbezirk anstrebt. Vor allem für Kammern, die jährlich nur wenige Notarassessorinnen und -assessoren einstellen, kann dies erhebliche Folgen haben – bis hin zu der Folge, dass wegen der Bestellung in anderen Kammerbezirken keine bewerbungsreifen Notarassessorinnen und -assessoren vorhanden sind, um die frei werdenden Notarstellen im eigenen Kammerbezirk zu besetzen und so die Versorgung der rechtsuchenden Bevölkerung sicherzustellen.[29] Da Notarassessorinnen und -assessoren den dreijährigen Regelanwärterdienst durchlaufen sollen, kann auf den Verlust eines Notarassessors bzw. einer Notarassessorin an einen anderen Kammerbezirk nicht kurzfristig durch Neueinstellung einer Notarassessorin bzw. eines Notarassessors reagiert werden.
Dem stehen die Interessen der aufgeforderten landeseigenen Notarassessorinnen und -assessoren und der auswärtigen fachlich und persönlich geeigneten Bewerberinnen und Bewerber entgegen. Der Eingriff in die Rechte der aufgeforderten landeseigenen Notarassessorinnen und -assessoren liegt darin, dass sie sich gegen ihren Willen auf eine Notarstelle bewerben und diese auch antreten müssen, um nicht aus dem Anwärterdienst entlassen zu werden. Dieser Eingriff wird dadurch abgemildert, dass die aufgeforderte Notarassessorin bzw. der aufgeforderte Notarassessor nach ihrer bzw. seiner Ernennung und Ableistung einer Mindestverweildauer den Amtssitz wechseln kann. Bei diesem Amtssitzwechsel kann ihre bzw. seine Bewerbung grundsätzlich den Bewerbungen aller Notarassessorinnen und -assessoren vorgehen (sog. Vorrücksystem).[30] Hinzu kommt, dass typischerweise Notarassessorinnen und -assessoren aufgefordert werden, die sich bereits mit guten Erfolgsaussichten auf ausgeschriebene Notarstellen hätten bewerben können.[31] Zudem stellt sich der Eingriff für die aufgeforderte Notarassessorin bzw. den aufgeforderten Notarassessor richtigerweise nicht als (nur durch kollidierendes Verfassungsrecht zu rechtfertigende) Berufszugangsregelung, sondern als Berufsausübungsregelung dar und kann als solche durch jeden vernünftigen Gemeinwohlbelang gerechtfertigt werden. Der aufgeforderten Notarassessorin bzw. dem aufgeforderten Notarassessor steht es frei, an der ihr bzw. ihm gem. § 7 Abs. 7 Nr. 3 BNotO angebotene Notarstelle zur Notarin bzw. zum Notar bestellt zu werden. Das Aufforderungsverfahren schränkt somit nur die Wahl des konkreten Tätigkeitsorts ein. Insofern ist zu berücksichtigen, dass Notarassessorinnen und -assessoren bei Dienstantritt bewusst sein muss, dass sie sich den Amtssitz nicht frei aussuchen können.[32] Denn mit der Bewerbung um Einstellung in den Anwärterdienst wird grundsätzlich auch die Bereitschaft für die Besetzung jeder Notarstelle in dem jeweiligen Kammerbezirk erklärt.[33]
Der Eingriff in die Rechte der auswärtigen Bewerberinnen und Bewerber ist insofern nicht als zu schwerwiegend zu betrachten, als nicht deren Berufswahl, sondern nur der Ort der Berufsausübung betroffen ist.[34] Denn es wären ohnehin nur solche auswärtigen Bewerberinnen und Bewerber zu berücksichtigen, die für das Amt der Notarin bzw. des Notars geeignet sind. Dies wird man nur bei Bewerberinnen und Bewerbern annehmen können, die entweder bereits zu Notaren bestellt sind oder als Notarassessoren tätig sind.[35] Bei Bewerbungen von Notarinnen und Notaren liegt es auf der Hand, dass nur der Ort der Berufsausübung betroffen ist, da diesen ein weiteres Tätigwerden als Notarin bzw. Notar an deren bisherigem Amtssitz ohne weiteres möglich ist.[36] Auch bei auswärtigen Notarassessorinnen und -assessoren ist nur diese Dimension der Berufsfreiheit betroffen, weil diesen ein Anwartschaftsrecht zusteht, in ihrem eigenen Kammerbezirk zur Notarin bzw. zum Notar bestellt zu werden. Ihnen wird daher nicht generell die Möglichkeit verwehrt, zur Notarin bzw. zum Notar bestellt zu werden, sondern lediglich die Bestellung zur Notarin bzw. zum Notar in einem anderen Kammerbezirk, in dem eine landeseigene Notarassessorin bzw. ein landeseigener Notarassessor aufgefordert werden soll und in welchem sie typischerweise nicht einmal wohnhaft sind.
Im Ergebnis sprechen die besseren Gründe dafür, dass nur Bewerbungen landeseigener Notarinnen und Notaren bzw. Notarassessorinnen und -assessoren geeignete Bewerbungen im Sinne von § 7 Abs. 7 Satz 2 Nr. 3 BNotO darstellen. Die Ausnahmefälle, in denen eine Abwägung der Interessen zu einem anderen Ergebnis führt, können darüber gelöst werden, dass sowohl § 7 Abs. 7 Satz 2 BNotO als auch § 5a BNotO der Verwaltung Ermessen einräumt.
Aufgrund der unterschiedlichen Rechtsprechung sollte § 7 Abs. 7 Satz 2 Nr. 3 BNotO dahingehend angepasst werden, dass geeignete Bewerbungen im Sinne von § 7 Abs. 7 Satz 2 Nr. 3 BNotO nur Bewerbungen von landeseigenen Notarinnen und Notaren sowie landeseigenen Notarassessorinnen und -assessoren sind.
III. Sperrwirkung einer Aufforderung für freiwillige Bewerbungen um andere Notarstellen
Aus praktischer Sicht ist die Aufforderung nach § 7 Abs. 7 Satz 2 Nr. 3 BNotO nur dann ein geeignetes Mittel, um die Besetzung weniger attraktiv erscheinender Notarstellen sicherzustellen, wenn die Rechtsfolge, nämlich die Entlassung aus dem Dienst, nicht dadurch abgewendet werden kann, dass sich die bzw. der Aufgeforderte mit Erfolg auf eine andere ausgeschriebene Notarstelle bewirbt. Denn andernfalls kann die bzw. der Aufgeforderte schlicht die Bewerbung weiterhin unterlassen, gegen die Entlassung aus dem Dienst vorgehen (der Suspensiveffekt nach § 80 Abs. 1 VwGO verhindert die Entlassung in der Zwischenzeit) und sich mit Erfolg auf eine andere ausgeschriebene Notarstelle bewerben. Die Durchführung des Aufforderungsverfahrens könnte auf diese Weise praktisch unmöglich gemacht werden und die Drohwirkung der Aufforderung liefe ins Leere. Die Justizverwaltung könnte dies nur dadurch verhindern, dass sie bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Aufforderung überhaupt keine Stellen mehr ausschreibt. Dies hätte jedoch erhebliche Nachteile für die vorsorgende Rechtspflege in dem Bundesland sowie für alle anderen nicht aufgeforderten Notarassessorinnen und Notarassessoren zur Folge. So kam es etwa im Jahr 2023 wegen eines Aufforderungsverfahrens in einem Bundesland zu einem Ausschreibungsstopp, der dazu führte, dass frei gewordene Notarstellen für einen langen Zeitraum verwaltet werden mussten und sich der Anwärterdienst der übrigen Notarassessorinnen und Notarassessoren erheblich verlängerte. Infolge des Ausschreibungsstopps wurde ein Jahr lang keine Notarstelle ausgeschrieben. Für die Belange der vorsorgenden Rechtspflege ist eine solche Sperrwirkung somit besonders wichtig, da hierdurch die Besetzung unattraktiver erscheinender Notarstellen sichergestellt wird, ohne dass sich die Besetzung aller anderen Notarstellen verzögert. Selbst wenn von einem solchen Ausschreibungsstopp abgesehen wird, besteht das Risiko, dass die bzw. der Aufgeforderte die Besetzung anderer Notarstellen durch Konkurrentenklagen verzögert.
Der Eingriff in die Rechte der aufgeforderten Notarassessorin bzw. des aufgeforderten Notarassessors hingegen ist nicht als gravierend anzusehen. Hier gelten die zuvor dargestellten Erwägungen entsprechend, insbesondere ist auch insofern nur die Berufsausübungsfreiheit des Aufgeforderten, nicht aber dessen Berufswahlfreiheit betroffen. Die bzw. der Aufgeforderte kann jederzeit zur Notarin bzw. zum Notar an der Notarstelle, zu deren Übernahme sie bzw. er aufgefordert wurde, bestellt werden. Eine Bewerbungssperre wirkt sich daher lediglich auf die Möglichkeit der Wahl eines bestimmten Tätigkeitsortes aus. Dabei ist insbesondere auch zu berücksichtigen, dass der Beruf der Notarassessorin bzw. des Notarassessors lediglich ein Durchgangsstadium auf dem Weg zum Notarberuf ist und daher naturgemäß nicht auf Dauer angelegt ist. Im Ergebnis dürfte wohl die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Ablehnung einer länderübergreifenden Bewerbung einer Notarin bzw. eines Notars um eine Notarstelle wegen Nichterfüllung der Mindestverweildauer im abgebenden Bundesland übertragbar sein.[37] Zudem gelten die vorstehenden Überlegungen entsprechend: Der aufgeforderten Notarassessorin bzw. dem aufgeforderten Notarassessor muss bei Berufseintritt bewusst sein, dass sie bzw. er in der Wahl der Stelle nicht frei ist. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, nach Ablauf der Mindestverweildauer den Amtssitz an einen anderen Ort zu verlegen.
[1] S. 284 des Referentenentwurfs.
[2] Rn. 1986 f. des Koalitionsvertrags.
[3] S. 280 des Referentenentwurfs.
[4] S. 214 des Referentenentwurfs.
[5] S. 214 des Referentenentwurfs.
[6] Ewer, AnwBl. 2015, 290 (291).
[7] So hat die Rechtsanwaltskammer Berlin 15.000 Mitglieder, während die Berliner Notarkammer unter 600 Mitglieder hat.
[8] S. 215 des Referentenentwurfs.
[9] S. 215 des Referentenentwurfs.
[10] S. 277 des Referentenentwurfs.
[11] Vgl. § 10 Abs. 1 HGB; eine entsprechende Regelung gibt es für das Zentrale Vorsorgeregister nicht.
[12] Umkehrschluss aus BGHZ 225, 198 = BeckRS 2020, 8598 Rn. 71.
[13] S. 180 des Referentenentwurfs.
[14] Bzw. der in ihrem jeweiligen Tätigkeitsbereich nach § 113 Abs. 3 Nr. 7 BNotO statt der Notarkammer für die wirtschaftliche Führung der betreffenden Notarstellen zuständigen (Länder-)Notarkasse.
[15] BGH v. 14. April 2008 – NotZ 103/07, DNotZ 2008, 555 = NJW-RR 2008, 1646.
[16] BGH aaO Rn. 13.
[17] Bosch, in: BeckOK BNotO, § 59 Rn. 1.
[18] BT-Drs. 18/10607, S. 61f.
[19] OLG Dresden, NJOZ 2024, 346.
[20] OLG Dresden, NJOZ 2024, 346 Rn. 17; BT-Drs. 11/6007, S. 12; Bormann, in: Diehn, BNotO, § 7 Rn. 35; Sommer, in: BeckOK BNotO, § 7 Rn. 83.
[21] OLG Dresden, NJOZ 2024, 346 Rn. 47; Eble, in: Frenz/Miermeister, BNotO, § 7 Rn. 62.
[22] Frenz/Eble, in: Frenz/Miermeister, BNotO, § 5a Rn. 11f.
[23] OLG Köln BeckRS 2008, 7011 Rn. 29.
[24] OLG Köln BeckRS 2008, 7011 Rn. 30.
[25] Dziwis, in: Schönenberg-Wessel/Plottek/Sikora, BNotO, § 7 Rn. 53.
[26] OLG Dresden, NJOZ 2024, 346 Rn. 47.
[27] OLG Dresden, NJOZ 2024, 346 Rn. 47 m.w.N.
[28] Dziwis, in: Schönenberg-Wessel/Plottek/Sikora, BNotO, § 7 Rn. 53; Eble, in: Frenz/Miermeister, BNotO, § 7 Rn. 62; Bormann, in: Diehn, BNotO, § 7 Rn. 35; Sommer, in: BeckOK BNotO, § 7 Rn. 83.
[29] Dies ist ein berücksichtigungsfähiger Gemeinwohlbelang, vgl. BVerfG NJW-RR 2005, 1431 (1433).
[30] Bremkamp, in: Frenz/Miermeister, BNotO, § 10 Rn. 30.
[31] Es sind typischerweise die dienstältesten Notarassessoren aufzufordern, § 3 Abs. 2 der Aufforderungsrichtlinie NRW; Eble, in: Frenz/Miermeister, BNotO, § 7 Rn. 65; Sommer, in: BeckOK BNotO, § 7 Rn. 88.
[32] Sommer, in: BeckOK BNotO, § 7 Rn. 84.
[33] Sommer, in: BeckOK BNotO, § 7 Rn. 84.
[34] Sommer, in: BeckOK BNotO, § 7 Rn. 86.
[35] So wohl implizit Dziwis, in: Schönenberg-Wessel/Plottek/Sikora, BNotO, § 7 Rn. 53.
[36] In diesem Sinne BVerfG, NJW-RR 2005, 1431, wonach Notare nur in der Berufsausübung betroffen sind, wenn ihnen der Wechsel in ein anderes Bundesland untersagt wird.
[37] BVerfG, NJW-RR 2005, 1431.
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