Stellungnahme vom 21.05.2024

Referentenentwurf eines Gesetzes zur besseren Verhinderung missbräuchlicher Anerkennungen der Vaterschaft

Zusammenfassung:

Der vorliegende Referentenentwurf regelt die Vorschriften zur Prävention missbräuchlicher Vaterschaftsanerkennungen neu. Anstelle der bisher zur Präventivkontrolle in § 1597a BGB vorgesehenen Aussetzung des Beurkundungsverfahrens wird mit den §§ 85a ff. AufenthG-E das Erfordernis einer Zustimmung durch die Ausländerbehörde eingeführt, dem materiell-rechtliche Sperrwirkung zukommen soll. Die Stellungnahme beschränkt sich auf die sich hieraus ergebenden Auswirkungen auf die notarielle Praxis.

Vor diesem Hintergrund halten wir die im Referentenentwurf vorgesehene Änderung, Beurkundungsverfahren und Missbrauchsverdachtsprüfung organisatorisch zu trennen, für praxisgerecht. Die Lösung beseitigt insbesondere das bislang durch § 1597a BGB bestehende Spannungsverhältnis zwischen notarieller Verschwiegenheitspflicht sowie der Urkundsgewährungspflicht einerseits und dem öffentlichen Interesse an einer Verhinderung missbräuchlicher Vaterschaftsanerkennung andererseits (A.). Aus Sicht der notariellen Praxis regen wir lediglich an, in § 87 Abs. 7 AufenthG-E klarzustellen, dass die darin vorgesehene Unterrichtungspflicht öffentlicher Stellen für Notarinnen und Notare mit Blick auf deren Verschwiegenheitspflicht nicht gilt (B.). Zudem regen wir an, die Übergangsvorschrift in § 105e AufenthG-E auch auf die materiell-rechtliche Regelung des § 1598 Abs. 1 Satz 2 BGB zu erstrecken (C.).

Im Einzelnen:

A. Gesamtbetrachtung

Der im Entwurf vorgestellte Regelungsvorschlag beseitigt die praktischen Probleme, die für die notarielle Praxis aus dem gegenwärtig mit § 1597a BGB verfolgten Ansatz entstehen.

I. Praktische Probleme des derzeitigen Regelungsmodells

Nach § 1597a Abs. 2 BGB hat die beurkundende Behörde oder die Urkundsperson bislang die Beurkundung auszusetzen, wenn konkrete Anhaltspunkte für eine missbräuchliche Anerkennung der Vaterschaft bestehen. Anschließend hat die beurkundende Behörde oder die Urkundsperson dies der nach § 85a AufenthG zuständigen Behörde nach Anhörung des Anerkennenden und der Mutter mitzuteilen. Solange die Beurkundung ausgesetzt ist, kann die Anerkennung nach § 1597a Abs. 3 BGB auch nicht wirksam von einer anderen beurkundenden Behörde oder Urkundsperson beurkundet werden. Indem das bisherige Regelungsmodell eine präventive Kontrolle der Vaterschaftsanerkennung an eine Aussetzungspflicht der jeweiligen Urkundsperson knüpft, entstehen praktische Probleme, die sich auch auf die Effektivität der Präventivkontrolle auswirken können.

Notarinnen und Notare unterliegen als Urkundspersonen zum einen der in § 15 Abs. 1 BNotO geregelten Urkundsgewährungspflicht. Sie dürfen eine von ihnen verlangte Urkundstätigkeit nicht ohne ausreichenden Grund verweigern. Zum anderen unterliegen sie nach § 18 Abs. 1 BNotO, § 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB einer strafbewehrten Verschwiegenheitspflicht, die sich auf alles bezieht, was der Notarin oder dem Notar bei Ausübung des Amtes bekannt geworden ist. Ihnen ist also berufsrechtlich grundsätzlich untersagt, ein Beurkundungsverfahren ohne gesetzliche Durchbrechungsregelung auszusetzen oder Mitteilungen über Umstände des Beurkundungsverfahrens an eine Behörde zu machen. Durch diese berufs- und beurkundungsrechtlichen Pflichten wird eine flächendeckende Versorgung der rechtssuchenden Bevölkerung mit Urkundstätigkeiten sichergestellt und das Vertrauensverhältnis zwischen Notarin bzw. Notar und den Urkundsbeteiligten geschützt.

Die in § 1597a Abs. 2 BGB vorgesehenen Pflichten zur Aussetzung des Verfahrens sowie zur Mitteilung an die Ausländerbehörde stellen zwar ausnahmsweise gesetzliche Durchbrechungen dieser grundlegenden Pflichten dar. Sie knüpfen allerdings an das Bestehen konkreter Anhaltspunkte für eine missbräuchliche Anerkennung der Vaterschaft an. Das Vorliegen solcher Anhaltspunkte kann von Notarinnen und Notaren wie auch von den übrigen Urkundspersonen und beurkundenden Behörden nicht verlässlich überprüft werden. Stattdessen sind die beurkundenden Stellen regelmäßig auf die Angaben der Beteiligten angewiesen. Dies betrifft in der Praxis insbesondere das Bestehen einer vollziehbaren Ausreisepflicht (§ 1597a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGB) und die Stellung eines Asylantrags (§ 1597a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB). Aufgrund der gesetzlichen Verschwiegenheitspflicht können Notarinnen und Notare auch keine eigenen Ermittlungen durch Anfragen bei den Ausländerbehörden anstellen. Liegen nach Maßgabe dessen keine konkreten Anhaltspunkte vor, müssen Notarinnen und Notare aufgrund des gesetzlich gewährleisteten Urkundsgewährungsanspruchs die Beurkundung durchführen.

Da § 1597a Abs. 3 BGB für die materiell-rechtliche Sperrwirkung an die Aussetzung eines laufenden Beurkundungsverfahrens anknüpft, ermöglicht es der bisherige Rechtsrahmen unlauteren Akteuren außerdem, der Präventivkontrolle durch einfache Maßnahmen zu umgehen. Erfolgt etwa eine erste Kontaktaufnahme über Strohmänner oder unter Vorgabe falscher persönlicher Angaben, und wird der Erstkontakt abgebrochen, bevor ein Beurkundungsverfahren eingeleitet wird, läuft die Präventivkontrolle regelmäßig ins Leere.

II. Vorteile des vorgeschlagenen Regelungsmodells

Die nun vorgesehen Lösung zur Verhinderung missbräuchlicher Vaterschaftsanerkennung trennt das Beurkundungsverfahren von der Missbrauchsverdachtsprüfung. Die beurkundende Stellen haben künftig die Aufgabe, die Beteiligten im Beurkundungsverfahren darüber zu belehren, dass zur Wirksamkeit der Vaterschaftsanerkennung die Zustimmung der Ausländerbehörde erforderlich sein kann (§ 17 BeurkG bzw. § 44 Abs. 4 PStG-E). Das Standesamt prüft vor Eintragung des Vaters in den Geburtseintrag des Kindes, ob die Zustimmung der Ausländerbehörde tatsächlich erforderlich ist (§ 44 Abs. 3 PStG-E i. V. m. § 85a Abs. 1 AufenthG-E). Auf Antrag der Beteiligten nimmt die Ausländerbehörde dann die Prüfung vor, ob diese Zustimmung erteilt werden kann, d.h. ob ein Missbrauchsfall vorliegt (§ 85a Abs. 3, 4, 5 AufenthG-E).

Aus beurkundungsrechtlicher Sicht halten wir diese verfahrensrechtliche Trennung des Beurkundungsverfahrens grundsätzlich für sinnvoll. Sie beseitigt die Pflichtenkollision, in der sich die beurkundende Stelle im bisherigen Regelungsmodell wie dargestellt befindet. Die bislang bestehenden einfachen Umgehungsmöglichkeiten werden beseitigt.

B. Zu Art.  1 Nr.  7 RefE (§ 87 AufenthG-E)

Um das vom vorliegenden Referentenentwurf verfolgte Ziel zu erreichen, die bislang bestehenden praktischen Probleme zu beseitigen, sollte klargestellt werden, dass § 18 BNotO von der in § 87 Abs. 7 AufenthG-E vorgesehenen Unterrichtungspflicht öffentlicher Stellen unberührt bleibt.

Wie bereits dargestellt unterliegen Notarinnen und Notare zum Schutz der Vertrauensbeziehung zu den Urkundsbeteiligten umfangreichen und strafbewehrten Verschwiegenheitspflichten. Um das Vertrauensverhältnis hinreichend zu schützen und kollidierende Amtspflichten zu vermeiden, müssen Ausnahmen von dieser Verschwiegenheitspflicht hinreichend konkretisiert sein, sodass Notarinnen und Notare im Einzelfall anhand formaler Kriterien beurteilen können, ob sie eine Tatsache offenbaren dürfen, oder ob diese der Verschwiegenheit unterliegt. Dem wird § 87 Abs. 7 AufenthG-E nicht gerecht. Diese Regelung sieht vor, dass öffentliche Stellen die zuständigen Ausländerbehörden zu unterrichten haben, wenn sie von Tatsachen Kenntnis erlangen, die für die Missbrauchsprüfung erheblich sind. Ob und welche Tatsachen für die Entscheidung der Ausländerbehörde erheblich sind, dürfte für die jeweilige beurkundende Stelle in der Regel nicht hinreichend klar prognostizierbar sein.

Im Übrigen dürfte schon kein Bedarf für eine notarielle Unterrichtungspflicht gemäß § 87 Abs.  7 AufenthG-E bestehen. Denn die Beteiligten, auf deren Angaben die notarielle Beurkundung im Wesentlichen beruht, sind den Ausländerbehörden gegenüber bereits selbst auskunftspflichtig (§ 85c Abs.  3 AufenthG-E).

C. Zu Art.  1 Nr.  9 RefE (§ 105e AufenthG-E)

Im Übrigen regen wir an, die Übergangsvorschrift in § 105e AufenthG-E auf die materiell-rechtliche Regelung des § 1598 Abs. 1 Satz 2 BGB zu erstrecken.

§ 1598 Abs.  1 Satz 2 BGB in seiner jetzigen Fassung stellt klar, dass die Anerkennungserklärung eines Vaters und die Zustimmungserklärung einer Mutter unwirksam sind, wenn sie während der Aussetzung des Beurkundungsverfahrens (also noch während die Ausländerbehörde den Missbrauchsverdacht prüft) beurkundet werden. Ziel der Übergangsvorschrift des § 105e AufenthG-E ist es, dass Fälle, die bei Inkrafttreten des Gesetzes noch zur Prüfung bei der Ausländerbehörde liegen, weiter nach dem alten Recht behandelt werden. Um dieses Ergebnis vollumfänglich zu erreichen, sollte auch § 1598 Abs.  1 Satz 2 BGB in seiner derzeitigen Fassung auf solche Fälle weiter anwendbar sein.




< zurück
XS
SM
MD
LG