Rundschreiben Nr. 09/2021 vom 26.07.2021

Gesetz zur Modernisierung des notariellen Berufsrechts und zur Änderung weiterer Vorschriften

Mit diesem Rundschreiben möchten wir Sie über das am 1.8.2021 in Kraft tretende Gesetz zur Modernisierung des notariellen Berufsrechts und zur Änderung weiterer Vorschriften (BGBl. 2021/I, 2154) informieren, das einige Folgen für die notarielle Praxis mit sich bringt.

Über die Auswirkungen des erst deutlich später in Kraft tretenden Gesetzes zur Neuregelung des Berufsrechts der anwaltlichen und steuerberatenden Berufsausübungsgesellschaften sowie zur Änderung weiterer Vorschriften im Bereich der rechtsberatenden Berufe informieren wir Sie zu gegebener Zeit gesondert.

Die Reihenfolge der nachfolgenden Darstellung folgt der Normenreihenfolge in der BNotO.

A. Örtliche Wartezeit (§ 5b Abs. 3 BNotO k.F.)

Die bisher schon geltenden Regelungen über die örtliche Wartezeit bei Bewerbern[1] um ein Notaramt im Bereich des Anwaltsnotariats bleiben grundsätzlich unberührt (drei Jahre Anwaltstätigkeit im in Aussicht genommenen Amtsbereich, § 5b Abs. 1 Nr. 2 BNotO k.F.).

Nur falls sich für eine ausgeschriebene Notarstelle keine Bewerber finden, die dieses Kriterium erfüllen, erlaubt § 5b Abs. 3 BNotO k.F. nunmehr subsidiär eine Aufweichung dieser Kriterien:

  • Entweder Anwaltstätigkeit von zwei Jahren im vorgesehenen Amtsbereich
  • oder Anwaltstätigkeit von drei Jahren in einem Amtsgerichtsbezirk, der an den Amtsgerichtsbezirk, in dem die Notarstelle gelegen ist, angrenzt und in demselben Bundesland liegt.

B. Unvereinbare Gesellschaftsbeteiligungen (§ 14 Abs. 5 Satz 2 BNotO k.F.)

§ 14 Abs. 5 Satz 1 BNotO verbietet Notaren, Gesellschaftsbeteiligungen einzugehen, die mit dem Amt unvereinbar sind. Satz 2 derselben Vorschrift führt Regelbeispiele für solche unvereinbaren Beteiligungen auf. Neben einer beherrschenden Beteiligung an einer Bauträger- oder Maklergesellschaft wird dort bisher auch die beherrschende Beteiligung an einer Steuerberatungs- oder Wirtschaftsprüfungsgesellschaft genannt. Zum 1.8.2021 entfällt nun das Regelbeispiel der beherrschenden Beteiligung an einer Steuerberatungs- oder Wirtschaftsprüfungsgesellschaft.

Im Bereich des Nurnotariats ist diese Änderung ohne Auswirkungen. Denn das Berufsrecht der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer lässt eine Gesellschafterstellung von hauptberuflichen Notaren in einer Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaft gar nicht zu, da eine solche zwingend an die Berufsstellung als Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Rechtsanwalt, vereidigter Buchprüfer oder Steuerbevollmächtigter geknüpft ist,[2] welche hauptberuflichen Notaren aufgrund § 8 Abs. 2 Satz BNotO untersagt ist.

Im Bereich des Anwaltsnotariats ist die Änderung jedoch von gewisser Bedeutung, denn dort besteht die Möglichkeit der Gesellschafterstellung, zumindest unter eingeschränkten Voraussetzungen.[3] Mit seiner Änderung möchte der Gesetzgeber Unklarheiten beseitigen, die damit zusammenhängen, dass Anwaltsnotare mit Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern eine Sozietät eingehen (§ 9 Abs. 2 BNotO) und sogar selbst den Beruf des Steuerberaters oder Wirtschaftsprüfers ausüben dürfen (§ 8 Abs. 2 Satz 2 BNotO).[4] In diesen Fällen der aktiven Mitarbeit ist eine beherrschende Beteiligung von Anwaltsnotaren an einer Steuerberatungs- oder Wirtschaftsprüfungsgesellschaft möglich; insoweit war § 14 Abs. 5 Satz 2 BNotO bislang zumindest missverständlich formuliert. Außerhalb einer aktiven Mitarbeit ist eine beherrschende Stellung von Notaren aus folgenden Gründen in der Regel weiterhin unzulässig:

  • Der Grundsatz, dass unvereinbare Gesellschaftsbeteiligungen verboten sind, bleibt unberührt.[5] Dies gilt ausweislich der Entwurfsbegründung auch mit Blick auf eine Beteiligung an Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaften.[6]
  • Eine reine Kapitalbeteiligung ist von vornherein unzulässig, wenn sie auf eine Umgehung des Sozietätsverbots des § 9 Abs. 2 BNotO k.F. hinausläuft. Dies ist dann der Fall, wenn der Notar alleine oder gemeinsam mit seinen Sozien beherrschenden Einfluss auf eine Steuerberatungs- oder Wirtschaftsprüfungsgesellschaft ausübt, an der Angehörige Freier Berufe beteiligt sind, mit denen sich ein Notar nicht soziieren dürfte.[7]
  • Auch eine sonstige reine Kapitalbeteiligung an derartigen Gesellschaften ist weiterhin kritisch zu sehen und unzulässig, wenn der Notar alleine oder gemeinsam mit seinen Sozien beherrschenden Einfluss ausübt. Die Entwurfsbegründung erklärt eine reine Kapitalbeteiligung lediglich nicht mehr für per se unzulässig. Jedoch wird gleichzeitig betont, dass die Vereinbarkeit mit dem Notaramt weiterhin der Maßstab ist, an dem die entsprechende Beteiligung zu messen ist; die Begründung legt hierzu ausdrücklich dar, dass die Neuregelung „keine unbedingte, unabhängig von § 14 Absatz 5 Satz 1 BNotO bestehende Zulässigkeit reiner Kapitalbeteiligungen zur Folge“[8] habe. Eine reine Kapitalbeteiligung ist geeignet, eine „Mandatsverlagerung“ zwischen der Steuerberatungs- oder Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und dem Notar zu ermöglichen. Diese Mandatsverlagerung ist jedoch unzulässig, weil eine entsprechende Beurkundung einem Mitwirkungs- oder Beurkundungsverbot unterläge (s. sogleich) und damit den Grundsätzen des Notaramts widerspräche.
  • Eine reine Kapitalbeteiligung an einer Steuerberatungs- oder Wirtschaftsprüfungsgesellschaft ist auch unterhalb der Schwelle des beherrschenden Einflusses grundsätzlich problematisch. Denn auch insoweit können je nach Einzelfall die Mitwirkungsverbote des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6, Nr. 7 BeurkG (bei jeder Kapitalbeteiligung) und des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 BeurkG (bei einer Beteiligung über 5 % oder über 2.500 Euro), das besondere Hinweis- und Fragegebot des § 3 Abs. 3 Nr. 1 BeurkG sowie das Beurkundungsverbot bei Anschein der Abhängigkeit und Parteilichkeit der § 14 Abs. 3 Satz 2, Abs. 2 BNotO greifen.

C. Gebührenerlass (§ 17 Abs. 1 Satz 2 BNotO k.F.)

Bisher erlaubte § 17 Abs. 1 Satz 2 BNotO den Gebührenerlass und die Gebührenermäßigung bei Gebotenheit aufgrund sittlicher Pflicht oder anständiger Rücksicht. Dies führte dazu, dass Standesangehörigen und Mitarbeitern in der Regel ein Gebührenerlass gewährt werden konnte. § 17 Abs. 1 Satz 2 BNotO k.F. sieht ab 1.8.2021 nunmehr einen Gebührenerlass oder eine Gebührenermäßigung nur noch bei Unbilligkeit aufgrund außergewöhnlicher Umstände vor. Damit entfällt das Gebührenprivileg für Standesangehörige und Mitarbeiter. Nur noch in seltenen Ausnahmefällen (z.B. Naturkatastrophe, Pandemie,[9] Amtsnachfolge[10]) ist eine Gebührenermäßigung oder ein Gebührenerlass noch möglich. Unberührt bleiben natürlich Gebührenermäßigungen oder Gebührenerlasse, die sich aus dem GNotKG ergeben können, so etwa bei unrichtiger Sachbehandlung.

Für die zeitliche Abgrenzung zwischen alter und neuer Rechtslage dürfte man diejenigen Grundsätze heranziehen können, die im Rahmen der Verjährung des Kostenanspruchs des Notars gelten. Demnach ist die Unterzeichnung der notariellen Urkunde und nicht erst etwa die grundbuchmäßige Erledigung des beurkundeten Geschäfts maßgebend.[11] Dies bedeutet, dass bei einer Beurkundung vor dem 1.8.2021 auch noch eine mit der Urkunde in Zusammenhang stehende Vollzugs- und/oder Betreuungsgebühr unter die alte Rechtslage fällt, selbst wenn die entsprechende Vollzugs- oder Betreuungshandlung noch nicht abgeschlossen ist.

D. Urkundeneinsicht zu Forschungszwecken (§§ 18a ff. BNotO k.F.)

Ab 1.8.2021 gewährt die BNotO in §§ 18a ff. Forschern einen Anspruch auf Einsicht in notarielle Urkunden. Im Wesentlichen gilt Folgendes:

  • Das Einsichtsrecht betrifft Urkunden, die älter als 70 Jahre sind (§ 18a Abs. 2 Nr. 2 BNotO k.F.).
  • Die Entscheidung über Ob und Wie der Urkundeneinsicht trifft die Landesjustizverwaltung nach Anhörung der Verwahrstelle (§ 18a Abs. 3 Satz 1 BNotO k.F.).
  • Es handelt sich um einen gebundenen Anspruch (§ 18a Abs. 1 BNotO k.F.). Bei unzumutbarem Aufwand kann der Antrag jedoch abgelehnt werden (§ 18a Abs. 3 Satz 2 BNotO k.F.).
  • Die Inhalte der Urkunde sind vorrangig anonymisiert zugänglich zu machen. Nur wenn das Forschungsvorhaben einen nicht anonymisierten Zugang erfordert oder wenn die Anonymisierung mit unverhältnismäßigem Aufwand verbunden wäre, ist davon abzusehen (§ 18b Abs. 1 BNotO k.F.). In diesem Fall ist jedoch eine Abwägung mit dem Geheimhaltungsinteresse der Betroffenen vorzunehmen (§ 18b Abs. 2 BNotO k.F.).
  • Der Zugang ist vorrangig dadurch zu gewähren, dass die Verwahrstelle Auskünfte über den Urkundeninhalt erteilt. Wenn dies zu aufwendig ist oder wenn das Forschungsvorhaben dies erfordert, ist eine Einsichtnahme in die Urkunden zu gewähren (§ 18b Abs. 3 BNotO k.F.).
  • Die Forscher müssen besonders zur Verschwiegenheit verpflichtet sein (§ 18b Abs. 4 BNotO k.F.).
  • Die erlangten Inhalte sind von den Forschern vertraulich zu behandeln und nach Gebrauch zu vernichten (§ 18c Abs. 1 BNotO k.F.). Eine Veröffentlichung bedarf der gesonderten Genehmigung (§ 18c        Abs. 3 BNotO k.F.).
  • Die Einsicht in Urkunden zu Forschungszwecken löst Gebühren aus. Diese werden von der Landesjustizverwaltung erhoben und dann an die Verwahrstelle weitergereicht (§ 18d Abs. 2 BNotO k.F.). Die Erteilung einer Auskunft löst hierbei insgesamt eine Gebühr von 20 € bis 200 € aus (Ziff. 20 Anlage 1 BNotO k.F.), die Einsichtsgewährung eine Gebühr von 10 € pro Urkunde bei nicht anonymisiertem und von 20 € pro Urkunde bei anonymisiertem Zugang (Ziff. 30 Anlage 1 BNotO k.F.). Es besteht ein Gebührendeckel von 3.000 € pro Forschungsvorhaben (Anlage 1 BNotO k.F.).

E. Vertraulichkeitsvereinbarung mit Dienstleistern (§ 26a Abs. 3 Satz 1 BNotO k.F.)

Ab 1.8.2021 genügt für die Vertraulichkeitsvereinbarung mit Dienstleistern die Textform; Schriftform ist nicht mehr erforderlich (§ 26a Abs. 3 Satz 1 BNotO k.F.).

F. Werberecht der Anwaltsnotare (§ 29 Abs. 2 BNotO k.F.)

Das rechtsanwaltliche Werberecht ist – wie auch das Werberecht der Steuerberater und Wirtschaftsprüfer – wesentlich liberaler als das notarielle Werberecht. Solange sich ein Anwaltsnotar insgesamt an das strengere notarielle Werberecht hält, ergeben sich keine Abgrenzungsschwierigkeiten. Anders ist dies hingegen, wenn ein Anwaltsnotar von den Möglichkeiten des liberaleren anwaltlichen Werberechts Gebrauch machen möchte, was mit Blick auf die Stellung als Rechtsanwalt rechtlich möglich ist. Für diesen Fall trifft § 29 Abs. 2 BNotO k.F. nunmehr präzisere Bestimmungen als bisher:

  • In diesen Fällen ist das Auftreten als Rechtsanwalt von demjenigen als Notar zu trennen (Trennungsgebot). Dies bedeutet, dass das jeweilige Werbeverhalten als Rechtsanwalt so von einem Werbeverhalten als Notar zu differenzieren ist, dass beim objektiven Betrachter nicht aufgrund des engen Zusammenhangs von anwaltlicher und notarieller Werbung der Eindruck entsteht, die anwaltliche Werbung betreffe auch die notariellen Leistungen.
  • Weiter ist in diesen Fällen ausdrücklich klarzustellen, dass sich das Auftreten als Rechtsanwalt nicht auf die notarielle Tätigkeit bezieht (Klarstellungsgebot). Hilfsweise darf sich dies auch unmissverständlich aus dem Kontext ergeben. In den Fällen, in denen eine ausdrückliche oder kontextuelle Klarstellung nicht möglich ist, verbleibt als letztes Mittel zur Klarstellung, die Amtsbezeichnung in Klammern zu führen, also „Rechtsanwalt (und Notar)“.[12]

G. Wegfall des Pflichtbezugs (§ 32 BNotO k.F., ab 1.1.2023)

Ab 1.1.2023 entfällt § 32 BNotO, sodass auf Ebene der BNotO keine Vorschrift zum Pflichtbezug mehr existiert. Den Notarkammern bleibt es jedoch unbenommen, in ihren Satzungen einen Pflichtbezug vorzusehen.[13] Unbeschadet bleibt selbstverständlich auch das Fortbildungsgebot in § 14 Abs. 6 BNotO.

H. Bestellung des Notarvertreters (§§ 39 f. BNotO k.F.)

Die Vorschriften der BNotO zur Bestellung von Notarvertretern werden ab 1.8.2021 neu formuliert.

In § 39 Abs. 1 Satz 1 BNotO k.F. wird per Legaldefinition der Begriff der „Notarvertretung“ als Sammelbezeichnung für Notarvertreterin und Notarvertreter eingeführt. Die einzelne Vertreterin bzw. der einzelne Vertreter führt jedoch weiterhin die Bezeichnung „Notarvertreterin“ bzw. „Notarvertreter“.

In § 39 Abs. 1 Satz 3 BNotO k.F. ist nun ausdrücklich klargestellt, dass auch bei Verhinderung eines ständigen Vertreters ein weiterer, auch ständiger, Vertreter bestellt werden kann.

§ 40 BNotO k.F. fasst die Voraussetzungen für die Bestellung des Notarvertreters neu. Die neue Formulierung ist aus sich heraus leider nur schwer verständlich. Im Wesentlichen gilt aber Folgendes:

  • Die Bestellung ist wirksam, wenn sie schriftlich mitgeteilt wird. Dies ist der Regelfall. Hierunter zählt auch eine Bestellung per Fax.
  • Die Bestellung ist aber auch wirksam, wenn sie nicht schriftlich erfolgt, sondern auf anderem Wege (z.B. per E-Mail oder – insbesondere in Eilfällen – mündlich bzw. telefonisch), sofern die Vertreterbestellung bei der Aufsichtsbehörde aktenkundig ist. Hiervon darf der Vertreter ausgehen, wenn ihm eine entsprechende Urkunde (s.u.). per E-Mail oder in einfacher Abschrift zur Kenntnis gelangt.[14]
  • Der Nachweis der Vertreterstellung, insbesondere gegenüber Grundbuchamt und Registergericht, erfolgt in Papierform anhand der schriftlichen Vertreterbestellungsurkunde bzw. anhand einer Bestätigung der Aufsichtsbehörde über die Vertreterstellung. Ist das entsprechende Dokument am Tag der Vertretung noch nicht vorhanden, hat die Aufsichtsbehörde dieses im Nachhinein zu übersenden. Gleichgestellt ist ein elektronisches Dokument, das mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der Aufsichtsbehörde versehen ist. Mittelfristig wird dieser Nachweis durch ein Vertreterattribut im Rahmen der qualifizierten elektronischen Signatur des Notarvertreters abgelöst werden.
  • Für die Praxis gelten damit folgende Grundsätze:
    • Schriftliche oder per Fax übermittelte Bestellungsurkunde: Die Bestellung ist nach den allgemeinen Regeln wirksam.
    • Per E-Mail übermittelte Bestellungsurkunde: Die Vertretung darf darauf vertrauen, dass die Bestellung jedenfalls aufgrund Aktenkundigkeit und damit verbundener Heilung gemäß § 40 Abs. 1 Satz 2 BNotO k.F. wirksam ist.
    • Mündliche oder telefonische Bestellung: Die Vertretung kann nicht auf die Wirksamkeit der Bestellung vertrauen, die Bestellung ist aber gleichwohl wirksam, wenn sie aktenkundig ist.
    • Nachweis der Vertreterbestellung: Bis auf Weiteres erfolgt der Nachweis anhand Papierurkunde bzw. qualifiziert elektronisch signierter elektronischer Datei der Aufsichtsbehörde, die entweder bereits am Vertretungstag vorliegt oder im Nachgang zugeschickt wird.

I. Binnenverteilung zwischen Notar und Notarvertretung bei Amtspflichtverletzungen (§ 46 BNotO k.F.)

In § 46 BNotO k.F. wird für den Fall von Amtspflichtverletzungen durch die Notarvertretung das Innenverhältnis zwischen Notar und Vertretung umgekehrt. Nach der neuen Rechtslage ist nunmehr der Notar und nicht mehr die Vertretung im Innenverhältnis alleine verpflichtet, außer bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit. Im Außenverhältnis haften weiterhin Notar und Vertretung als Gesamtschuldner. Diese Regelung des Innenverhältnisses ist auch weiterhin dispositiv.[15]

J. Amtsniederlegung wegen Betreuung, Pflege oder eigener Krankheit (§§ 48b, 48c BNotO k.F.)

Die Bestimmungen der BNotO zur Amtsniederlegung wegen Angehörigenbetreuung oder Angehörigenpflege sind grundlegend neu formuliert worden. Inhaltlich ergeben sich hierbei im Wesentlichen folgende Änderungen:

  • Eine Wiederbestellung am selben Amtssitz wegen Angehörigenbetreuung oder Angehörigenpflege ist nunmehr nicht nur bis zu ein Jahr, sondern bis zu drei Jahre nach der Niederlegung möglich (§ 48b Abs. 2 BNotO k.F.). Notarinnen, die ein Kind erwarten, können ihr Amt nunmehr bereits vor der Geburt des Kindes niederlegen (§ 48b Abs. 1 Satz 2 BNotO k.F.).
  • Neu eingeführt wird die privilegierte Amtsniederlegung aus gesundheitlichen Gründen (§ 48c BNotO). In diesem Fall ist die Wiederbestellung am selben Amtssitz allerdings auf ein Jahr begrenzt (§ 48c Abs. 3 BNotO k.F.).
  •  Die Genehmigung der privilegierten Amtsniederlegung nach § 48b steht jedoch unter der Voraussetzung, dass Belange der geordneten Rechtspflege nicht beeinträchtigt sind (§ 48b Abs. 3 Satz 1 BNotO k.F.). Dieses Kriterium hat nunmehr ausdrücklich Eingang in die Norm gefunden und betrifft ausweislich der Entwurfsbegründung insbesondere, aber nicht ausschließlich Amtsniederlegungen mit Wiederbestellungszusage am selben Amtssitz. Die Entwurfsbegründung legt ausdrücklich dar, dass es sich bei der Genehmigung einer Amtsniederlegung um eine Personalplanungsentscheidung der Landesjustizverwaltung handelt, bei der insbesondere zu prüfen ist, ob und durch welche Person die Notarstelle für die Dauer der Amtsniederlegung verwaltet werden kann.[16] Darüber hinaus werden aber auch weitere Belange wie etwa die Ämterkontinuität oder Ämterstabilität zu berücksichtigen sein, was aus dem Rekurs der Entwurfsbegründung auf § 4 Satz 1 BNotO und § 10 Abs. 1 Satz 3 BNotO hervorgeht. Weitere Regelungen an anderer Stelle ergänzen diesen „Vorbehalt der Belange der geordneten Rechtspflege“: Sofern kein geeigneter Notariatsverwalter zur Verfügung steht, kann der Notar, der niedergelegt hat, auch aufgefordert werden, vorzeitig seine Neubestellung zu beantragen (§ 56 Abs. 3 Satz 2 BNotO k.F.). Hinzu kommt, dass sich ein Notar bei vorzeitigem Wegfall der Voraussetzungen für die privilegierte Niederlegung um eine erneute Bestellung bemühen muss; andernfalls verliert er den jeweiligen Anspruch auf bevorzugte Wiederbestellung (§ 48b Abs. 4 Satz 2 BNotO k.F.).

 

[1] Aus Gründen der besseren Lesbarkeit werden in diesem Rundschreiben ausschließlich männliche Sprachformen verwendet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten jedoch gleichermaßen für alle Geschlechter.

[2] §§ 50, 50a StBerG; § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3a, § 28 Abs. 2 Satz 2 WPO. Eine Ausnahmegenehmigung nach § 28 Abs. 2 Satz 2 WPO scheidet aus, weil die Tätigkeit als hauptberuflicher Notar nach § 8 Abs. 2 Satz 1 BNotO nicht mit dem Beruf des Wirtschaftsprüfers zu vereinbaren ist. Eine Ausnahmegenehmigung nach § 50 Abs. 3 StBerG scheidet aus, weil diese Personen nach § 50a Abs. 1 Nr. 1 StBerG in der Gesellschaft tätig sein müssen, was ebenfalls aufgrund § 8 Abs. 2 Satz 1 BNotO für hauptberufliche Notare nicht möglich ist.

[3] Voraussetzung ist insoweit, dass der jeweilige Anwaltsnotar auch selbst Wirtschaftsprüfer oder Steuerberater ist, vgl. §§ 50, 50a StBerG; § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3a WPO. Ein Anwaltsnotar, der nur Steuerberater, aber nicht Wirtschaftsprüfer ist, darf außerdem keinen beherrschenden Einfluss in einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft ausüben, vgl. § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1a WPO.

[4] BT-Drs. 19/30503, 17.

[5] BT-Drs. 19/30503, 18.

[6] BT-Drs. 19/30503, 18.

[7] BT-Drs. 19/30503, 18.

[8] BT-Drs. 19/30503, 18.

[9] Die Naturkatastrophe wird von der Entwurfsbegründung ausdrücklich genannt, BT-Drs. 19/26828, 124. Nach der Begründung ist weiter § 17 Abs. 1 Satz 2 BNotO n.F. an den Billigkeitsbegriff der AO (§§ 227, 163) angelehnt. Aufgrund der Vergleichbarkeit dürfte nicht nur bei der Naturkatstrophe, sondern auch bei einer Pandemie im Grundsatz die Möglichkeit bestehen, sachliche Unbilligkeit anzunehmen. Zum Fall der Naturkatastrophe vgl. etwa Cöster, in: Koenig, AO, 3. Aufl. 2014, § 163, Rn. 14.

[10] Bei unrichtiger Sachbehandlung durch den „Amtsvorgänger“ ist bisher strittig, ob der „Amtsnachfolger“ sich auf § 21 GNotKG berufen kann; jedenfalls ist bisher aber eine Gebührenbefreiung auf Grundlage von § 17 Abs. 1 Satz 2 BNotO möglich, vgl. Tiedtke, in: Korintenberg, GNotKG, 21. Aufl. 2020, § 21, Rn. 33; Kindler, RNotZ 2015, 465, 476. Daran dürfte sich auch unter der neuen Rechtslage nichts ändern. Vielmehr dürfte ein Fall der sachlichen Unbilligkeit vorliegen: Die „Amtsnachfolge“ ist eine Zufälligkeit, die dem betroffenen Beteiligten nicht aufgebürdet werden darf. Vgl. zu allgemeinen Maßstäben der sachlichen Unbilligkeit etwa Fritsch, in: Koenig, AO, 3. Aufl. 2014, § 227 AO, Rn. 17 ff.

[11] OLG Frankfurt, BeckRS 1995, 04968; Tiedtke, in: Korintenberg, GNotKG, 21. Aufl. 2020, § 19, Rn. 75.

[12] BT-Drs. 19/26828, 135.

[13] BT-Drs. 19/26828, 185.

[14] BT-Drs. 19/30503, 19.

[15] BT-Drs. 19/26828, 139.

[16] BT-Drs. 19/26828, S. 142




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