Stellungnahme vom 02.02.2024

Referentenentwurf eines Vierten Gesetzes zur Entlastung der Bürgerinnen, Bürger, der Wirtschaft sowie der Verwaltung von Bürokratie („Viertes Bürokratieentlastungsgesetz“)

Zusammenfassung:

Der Referentenentwurf eines Vierten Gesetzes zur Entlastung der Bürgerinnen und Bürger, der Wirtschaft sowie der Verwaltung von Bürokratie („Viertes Bürokratieentlastungsgesetz“ bzw. „BEG IV“) setzt das im Koalitionsvertrag vereinbarte Ziel um, bestehende Abläufe und Verfahren zu vereinfachen und Regelungen abzubauen, deren Aufwand im Missverhältnis zum verfolgten Zweck steht bzw. deren Zweck überholt ist. Dabei sollen bestehende Schutzstandards bewahrt bleiben. Die Bundesnotarkammer begrüßt das Ziel des Koalitionsvertrages sowie des Referentenentwurfs ausdrücklich. Denn Aufgabe gesetzlicher Regelungen ist es, für geordnete rechtstaatliche Verfahren zu sorgen. Hinderlich – und in der Folge abzubauen – sind diese jedoch, wenn ihnen kein tiefergehender Zweck mehr zukommt. Neue, fortschrittliche Regelungen im Kontext des digitalen Wandels können darüber hinaus zur Verfahrensbeschleunigung und Entlastungen beitragen.

Der Referentenentwurf wird diesem Ziel weitestgehend gerecht. Indem Notarinnen und Notare bei Unternehmensgründungen als zentrale Anlaufstelle fungieren, steht Gründerinnen und Gründer niedrigschwellig ein One-Stop-Shop zur Verfügung. Die hieraus entstehende Beschleunigungs- und Entlastungswirkung könnten künftig sogar noch weiter verbessert werden (A.). Hinsichtlich der vorgesehenen Neuregelungen zu öffentlichen Versteigerungen scheinen Nachbesserungen erforderlich, um das Ziel der Entbürokratisierung nicht zu konterkarieren (B.). Schließlich ist die Einführung der Textform anstelle der Schriftform überwiegend zu begrüßen. Hier sollten nach Einschätzung der Bundesnotarkammer lediglich einzelne Aspekte überdacht werden (C.).

Im Einzelnen:

A. Notarinnen und Notare als One-Stop-Shop (§ 24 Abs. 1 Satz 3 BNotO-E)

Die Einführung des neuen § 24 Abs. 1 Satz 3 BNotO-E ist sehr zu begrüßen. Sie ist nicht nur unmittelbar praxisrelevant, sondern mit Blick auf die Attraktivität des Wirtschafts- und Gründungsstandortes Deutschland von erheblicher Bedeutung. Die Vorschrift stellt klar, dass die befasste Notarin bzw. der befasste Notar zur weiteren Erleichterung und Beschleunigung der Gründung auf Antrag der Beteiligten auch Tätigkeiten für diese übernehmen kann, die erst im Nachgang einer Gründung anfallen (z. B. steuerliche Anzeigepflichten, Anzeigen im Zusammenhang mit dem Betrieb eines Gewerbes).[1]

Hiermit geht für die Gründerinnen und Gründer eine erhebliche Entlastung einher. Denn bürokratische Verzögerungen ergeben sich derzeit nach Eintragung der Gesellschaft aufgrund zahlreicher Anzeige-, Mitteilungs- und Antragspflichten gegenüber unterschiedlichen Behörden. Für die Beteiligten sind dabei häufig weder die einzelnen Pflichten der jeweiligen Fachgesetze noch die verschiedenen Ansprechpartner ohne Weiteres erkennbar. Notarinnen und Notare können insoweit auf ihre jahrzehntelangen Erfahrungen als zentraler One-Stop-Shop im Grundstücksverkehr zurückgreifen. Ferner kennen sie sowohl die zuständigen Stellen als auch die einschlägigen Vorschriften. Bei der Gründung sind die Notarinnen und Notare dank der notariellen Online-Verfahren im Gesellschaftsrecht auch digital verfügbar und können die Angelegenheiten der Gründerinnen und Gründer flexibel betreuen. Die Bündelung der der Gründung anschließenden bürokratischen Schritte bei der befassten Notarin bzw. dem befassten Notar kann daher für Gründerinnen und Gründer eine echte Erleichterung schaffen. Diese können sich dadurch ausschließlich auf ihr Unternehmen fokussieren.

Um Gründerinnen und Gründer noch effektiver zu entlasten, sollte erwogen werden, § 24 Abs. 1 Satz 3 BNotO-E um eine Vollmachtsvermutung der handelnden Notarin bzw. des handelnden Notars zu ergänzen, wie diese etwa in § 15 Abs. 2 GBO oder in § 378 Abs. 2 FamFG vorgesehen ist. Soweit Notarinnen und Notare rechtliche Handlungen für Gründerinnen und Gründer übernehmen, haben die Fachbehörden in der Regel einen Nachweis der Vollmacht zu verlangen. Dies geht nicht selten mit Rückfragen, Verzögerungen und Medienbrüchen einher. Bei der gesetzlich geregelten Vollmachtsvermutung handelt es sich um ein bewährtes Mittel, entsprechende Verzögerungen zu vermeiden und Verfahren zu beschleunigen.

In der Zukunft könnte die durch den One-Stop-Shop entstehende Beschleunigungs- und Entlastungswirkung sogar noch weiter verbessert werden. Die Begründung des Referentenentwurfs führt aus, dass die Übermittlungswege, die für die Kommunikation zwischen Notarinnen und Notaren und den jeweils zuständigen Stellen zu nutzen sind, sich grundsätzlich nach den jeweiligen Fachgesetzen richten. Allerdings ist § 24 Abs. 1 Satz 3 BNotO-E insoweit ausdrücklich technikoffen formuliert. Künftig sollte die Kommunikation zwischen den Notarinnen und Notaren und den jeweils zuständigen Stellen auf einem einheitlichen, elektronischen Übermittlungsweg erfolgen. Durch die Übermittlung in maschinenlesbarer Form oder von strukturierten Datensätzen kann eine automatisierte Weiterverarbeitung der zuständigen Stellen ermöglicht werden. Als Leitbild dient das effiziente Registerverfahren. Notarinnen und Notare kommunizieren mit Gerichten seit 2007 rein elektronisch; Gerichte können so die von Notaren erstellten XML‑Daten automatisiert übernehmen. Hierdurch würden Unternehmensgründungen im Sinne des „Once-Only“-Prinzips weiter beschleunigt und vereinfacht und die Verwaltung entlastet. Synergieeffekte ergeben sich insoweit zudem mit dem Projekt „elektronischer Notar-Verwaltung-Austausch“ (eNoVA) im Grundstücksrecht, auf dessen Strukturen auch zur Beschleunigung von Unternehmensgründungen zurückgegriffen werden kann. Unterschiedliche Übermittlungswege, die als Insellösungen nicht miteinander kompatibel sind, sollten hingegen im Sinne einer ganzheitlichen Digitalisierung vermieden werden.

Perspektivisch könnten die Notarinnen und Notare dann die im Rahmen der Gründung erhobenen Angaben in strukturierter maschinenlesbarer Form an die nach der Gründung eingebundenen Fachbehörden übermitteln. Doppelte Datenerhebungen, die zu Mehraufwänden bei Gründerinnen und Gründern führen und den Gründungsprozess verlangsamen, könnten somit noch effektiver vermieden werden.

B. Regelungen zur öffentlichen Versteigerung (§ 383 BGB-E, § 20 Abs. 3 Satz 2 BNotO-E)

Soweit der vorliegende Entwurf Regelungen zur öffentlichen Versteigerung vorsieht, scheinen punktuelle Nachbesserungen erforderlich, um eine Belastung der rechtsuchenden Bevölkerung und das Entstehen von geldwäscherechtlichen Schutzlücken zu vermeiden.

I. Zuständige Ansprechpartner für die Durchführung öffentlicher Versteigerungen

Notarinnen und Notare sind nach § 20 Abs. 3 Satz 1 BNotO grundsätzlich zuständig, freiwillige Versteigerungen durchzuführen und stehen der rechtsuchenden Bevölkerung hierfür bundesweit flächendeckend als Anlaufstelle bereit. Um diese Erfahrung sowie die zuverlässige Verfügbarkeit auch für die Durchführung öffentlicher Versteigerungen im Sinne einer ortsnahen Daseinsvorsorge fruchtbar zu machen, sieht § 383 Abs. 3 Satz 1 BGB bislang vor, dass auch Notarinnen und Notare öffentliche Versteigerungen übernehmen können.

§ 383 Abs. 2 Satz 1 BGB-E ordnet hingegen an, dass für die Durchführung öffentlicher Versteigerungen künftig nur noch öffentlich bestellte und vereidigte Versteigerer sowie Gerichtsvollzieher zur Verfügung stehen sollen. Die Anzahl der zuständigen Stellen wird hierdurch erheblich verringert. Für die rechtsuchende Bevölkerung, die Wirtschaft und die Verwaltung stellt dies keine entbürokratisierende Entlastung dar. Der Aufwand, eine öffentliche Versteigerung durchführen zu lassen, wird hingegen sogar erhöht.

Wir regen daher an, von einer Verringerung der zuständigen Stellen abzusehen. Notarinnen und Notare sollten den Bürgerinnen und Bürgern auch weiterhin als zuständige Stelle flächendeckend und qualifiziert für die Durchführung öffentlicher Versteigerungen im Sinne des § 383 BGB zur Verfügung stehen.

II. Klarstellung hinsichtlich § 20 Abs. 3 Satz 3 BNotO-E

Nach § 20 Abs. 3 Satz 3 BNotO-E gelten von den Notarinnen und Notaren öffentlich durchgeführte freiwillige Versteigerungen als öffentliche Versteigerungen im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuches. Dies stellt eine Folgeänderung dar, die aufgrund der Änderung des § 383 Abs. 2 Satz 1 BGB-E erforderlich wird. Sie soll sicherstellen, dass die bisherige rechtliche Behandlung freiwilliger Versteigerungen durch Notarinnen und Notare beibehalten wird:[2]

Ausweislich der Begründung des Referentenentwurfs handelt es sich um eine Rechtsfolgenverweisung, die lediglich die mit öffentlichen Versteigerungen verbundenen Wirkungen wie insbesondere den Gutglaubensschutz nach § 935 Abs. 2 BGB erhalten soll.[3] Wie bisher bleiben die rechtliche Voraussetzungen des Rechtsgeschäfts, insbesondere dessen Formanforderungen, dagegen unberührt.[4]

Zur Klarstellung regen wir an, in der Begründung darauf hinzuweisen, dass aufgrund des Charakters des § 20 Abs. 3 Satz 3 BNotO-E als Rechtsfolgenverweisung insbesondere besondere Formvorschriften von der Verweisung nicht berührt werden.

III. Vermeidung geldwäscherechtlicher Schutzlücken

Bei der Durchführung öffentlicher Versteigerungen besteht nach den Erkenntnissen der nationalen Risikoanalyse ein erhöhtes Anfälligkeitsrisiko für Transaktionen mit Geldwäschebezug. Ausweislich der Erkenntnisse der nationalen Risikoanalyse werden insbesondere im Bereich der organisierten Kriminalität gezielt Zwangsversteigerungen sowie öffentliche Versteigerungen zum Erwerb hochwertiger Güter mit inkriminierten Geldern genutzt.[5] Insbesondere durch die Verwendung von Barmitteln sind geldwäscherechtliche relevante Vorgehensweisen zu beobachten. Dies muss bei der rechtlichen Gestaltung öffentlicher Versteigerungen besonders beachtet werden, da andernfalls Schutzlücken entstehen, die zum Zwecke der Geldwäsche, der Terrorismusfinanzierung und zur Umgehung von Sanktionen genutzt werden können.

Insoweit ist besonders darauf hinzuweisen, dass § 383 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2, Nr. 3 BGB-E die virtuelle sowie die hybride öffentliche Versteigerung einführt, ohne dabei Vorgaben über die einzuhaltenden technischen Rahmenbedingungen oder über die Feststellung der Identität der Ersteigernden zu machen. Indem Höchstbietende lediglich virtuell an der öffentlichen Versteigerung teilnehmen, wird das Risiko von Identitätstäuschungen erhöht, wodurch das Risiko, dass eine öffentliche Versteigerung für die Zwecke der Geldwäsche ausgenutzt wird, weiter steigt. Nicht zuletzt weil auch GmbH-Geschäftsanteile Gegenstand einer öffentlichen Versteigerung sein können, drohen hier Schutzlücken im engmaschigen Netz der Geldwäschebekämpfung.

C. Anpassung zivilrechtlicher Schriftformerfordernisse

Damit Rechtsgeschäfte künftig ohne Medienbruch digital abgewickelt werden können, ordnet der Gesetzesentwurf an zahlreichen Stellen die Textform anstelle der bisherigen Schriftform an. Dieses Vorhaben ist zu begrüßen. Denn es entlastet nicht nur Bürgerinnen und Bürger sowie Wirtschaft und Verwaltung, sondern schont im Ergebnis auch Ressourcen.

Generell sieht das Zivilrecht Formvorschriften immer dann vor, wenn einem Rechtsgeschäft typischerweise eine besondere Bedeutung zukommt und eine leichtere Abwicklung zugunsten bestehender Interessen des Rechtsverkehrs zurückzustehen hat.[6] Formvorschriften verfolgen dabei vielzählige, unterschiedliche Funktionen, wobei nicht stets jeder Zweck bei jedem Rechtsgeschäft einschlägig ist oder gleichermaßen im Vordergrund steht.[7] Der Textform kommt etwa eine bloße Klarstellungs- und Perpetuierungsfunktion zu.[8] Darüberhinausgehend bezweckt die Schriftform unter anderem auch eine Warnfunktion bzw. einen Übereilungsschutz.[9]

Sollen bestehende Formanforderungen angepasst werden, ist stets im jeweiligen Fall zu prüfen, inwieweit der bisherige Formzweck durch das neue Formerfordernis gewahrt wird. Diese Überlegungen liegen auch dem vorliegenden Referentenentwurf zugrunde; das bisherige, durch die Formerfordernisse gewährte Schutzniveau für Bürgerinnen und Bürger sowie den Rechts- und Geschäftsverkehr soll ausdrücklich beibehalten werden. Die Änderungsvorschläge stoßen daher weit überwiegend nicht auf Bedenken. Punktuell weisen wir jedoch auf Folgendes hin:

Die Begründung des Referentenentwurfs führt an verschiedenen Stellen aus, dass auch eine gesetzlich angeordnete Textform geeignet sei, die erklärende Person im Sinne einer Warnfunktion zu schützen.[10] Der Textform kommt aufgrund ihrer strukturellen Eigenschaften aber gerade keine derartige Warnfunktion und kein Übereilungsschutz zu.[11] Dies sollte in der Begründung ggf. klargestellt werden.

Die Klarstellung in § 48 Abs. 2 GmbHG-E, wonach es künftig einer Versammlung auch dann nicht bedarf, wenn die Gesellschafter mit einer Stimmabgabe in Textform einverstanden sind, erscheint zweckmäßig. § 48 Abs. 2 GmbHG regelt die Beschlussfassung von GmbH‑Gesellschaftern im Wege des Umlaufverfahrens. Fehlt eine satzungsmäßige Regelung, ist diese derzeit zulässig, wenn entweder sämtliche Gesellschafter der zu treffenden Bestimmung in Textform zustimmen oder diese sich mit einer schriftlichen Stimmabgabe einverstanden erklären. Bislang ist umstritten, ob es sich bei der zweiten Alternative um eine strenge Schriftform im Sinne des § 126 BGB handelt.[12] Da GmbH-Gesellschafter jedenfalls in den Angelegenheiten, die die GmbH betreffen, häufig geschäftlich erfahren sind, erscheint dies nicht zwingend notwendig.

Auch die Regelung der Textform in § 32 Abs. 3 BGB-E begegnet keinen Bedenken.

 

[1] Vgl. hierzu näher S. 69 des Referentenentwurfs.

[2] S. 69 des Referentenentwurfs.

[3] Ebd.

[4] Limmer in: Frenz/Miermeister, Bundesnotarordnung, 5. Aufl. 2020, § 20 Rn. 41.

[5] Vgl. Bundesministerium der Finanzen, Erste Nationale Risikoanalyse 2018/2019, S. 104; BT-Drs. 19/13827, S. 73.

[6] Wendtland in: BeckO BGB, 66. Ed. Stand 1.5.2023, § 125 Rn. 1.

[7] Vgl. hierzu etwa Einsele in: Münchener Kommentar zum BGB, 9. Aufl. 2021, § 125 Rn. 8ff.

[8] Primaczenko/Frohn in: BeckOGK, Stand 1.5.2020, § 126b BGB Rn. 5.

[9] Ausführlich zu den einzelnen Zwecken der Schriftform vgl. BT‑Drs. 14/4987, S. 16f.

[10] Vgl. insbesondere S. 61, 70, 78 f. des Referentenentwurfs.

[11] BT‑Drs. 14/4987, S. 19.

[12] Vgl. hierzu Altmeppen, GmbHG, 11. Aufl. 2023, § 48 Rn. 39 m. w. N.




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