Stellungnahme vom 21.04.2023

Referentenentwurf eines Gesetzes zur Regelung hybrider und virtueller Kammerversammlungen

Zusammenfassung:

Die Bundesnotarkammer begrüßt die vorgesehene Möglichkeit, auf der Grundlage entsprechender Satzungsbestimmungen die Kammerversammlungen der Notarkammern bzw. die Generalversammlung der Bundesnotarkammer als hybride oder virtuelle Versammlung einberufen zu können. Die Möglichkeit zur virtuellen bzw. hybriden Durchführung der Generalversammlung hat sich bereits während der Corona-Pandemie bewährt. Auch grundsätzlich bieten entsprechende Einberufungsmöglichkeiten den Notarkammern und der Bundesnotarkammer ein Mehr an Flexibilität und tragen dem Gedanken der Nachhaltigkeit Rechnung. Am vorliegenden Gesetzesentwurf halten wir daher lediglich Klarstellungen für erforderlich.

Die Befugnis der Präsidentin bzw. des Präsidenten der jeweiligen Kammer über die Form der anstehenden Kammerversammlung bzw. Generalversammlung im Rahmen der Einberufung zu entscheiden, fügt sich in die bestehende Kompetenzordnung der Kammerorgane ein und ist zu begrüßen; insoweit regt die Bundesnotarkammer lediglich eine Klarstellung im Gesetzestext an (A.). Damit Kammerversammlungen bzw. Generalversammlungen rechtssicher durchgeführt werden können, sollte weiter klargestellt werden, dass technische Störungen nicht pauschal zur Anfechtbarkeit der Beschlüsse und Wahlen führen (B.). Die Durchführung der Abstimmungen und Wahlen sollte bei hybriden oder virtuellen Kammerversammlungen exklusiv per Briefwahl erfolgen dürfen. Insoweit sollte klargestellt werden, dass eine zusätzliche Anschaffung elektronischer Wahlsysteme nicht erforderlich ist (C.). Schließlich könnte im Wortlaut des Gesetzes noch deutlicher zum Ausdruck gelangen, dass die nähere Ausgestaltung der Durchführung hybrider oder virtueller Kammer- und Generalversammlungen in der Satzung der Notarkammern oder der Bundesnotarkammer erfolgen kann (D.).

Im Einzelnen:

A. Klarstellung zur Einberufungsbefugnis der Präsidentin oder des Präsidenten

Nach § 85 Abs. 1 Satz 1 BNotO wird die Generalversammlung der Bundesnotarkammer durch den Präsidenten einberufen. Dabei steht der Präsidentin oder dem Präsidenten der Bundesnotarkammer das Recht zu, bei der Einberufung über Zeit und Ort der Generalversammlung zu entscheiden.[1] Selbiges ordnet § 71 Abs. 1 BNotO für die Einberufung der Kammerversammlung durch die jeweilige Präsidentin oder den jeweiligen Präsidenten der Notarkammer an.[2]

Die Einberufungsbefugnis der Präsidentin oder des Präsidenten wird – sofern die jeweilige Kammersatzung die Möglichkeit einer hybriden oder virtuellen Versammlung vorsieht – demnach künftig folgerichtig auch das Recht umfassen, im Rahmen der Einberufung über die Form der General- oder Kammerversammlung zu entscheiden. Für die Generalversammlung der Bundesnotarkammer wird dies durch die Formulierung des § 85 Abs. 3 BNotO-E („… dass der Präsident die Generalversammlung auch als hybride oder virtuelle Generalversammlung einberufen kann.“) ausdrücklich zutreffend klargestellt. Dies fügt sich ohne Widersprüche in die bestehende Kompetenzordnung der Kammerorgane ein und ist daher zu begrüßen.

Für die Einberufung der Kammerversammlung durch die jeweilige Präsidentin oder den jeweiligen Präsidenten der Notarkammer fehlt eine entsprechend gesetzgeberische Klarstellung. Angesichts der gleichgelagerten Sach- und Rechtslage sollte durch eine entsprechende Formulierung gleichfalls in § 71a Abs. 2 BNotO-E klargestellt werden, dass auch dort die Einberufungsbefugnis der Präsidentin oder des Präsidenten die Entscheidung über die Form der Versammlung umfasst.

B. Keine Anfechtung bei kurzfristigen technischen Störungen

Nach § 71a Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BNotO-E ist die gesamte Versammlung mit Bild und Ton zu übertragen. Fehlt es an einer der in § 71a Abs. 3 BNotO-E genannten Voraussetzungen, sollen ausweislich der Entwurfsbegründung (S. 22) die Beschlüsse der Versammlungen gemäß § 111e BNotO anfechtbar sein. Damit könnten selbst kurzzeitige Übertragungsschwierigkeiten erhebliche Auswirkungen haben. Die rechtssichere Durchführung einer virtuellen oder hybriden Kammer- oder Generalversammlung erfordert, dass nicht bereits jede kurzzeitige technische Störung zu einer Anfechtbarkeit der Beschlüsse und Wahlen führt. Andernfalls steht zu befürchten, dass die Notarkammern wegen des weitreichenden Anfechtungsrisikos von der neuen Option zur Regelung hybrider oder virtueller Versammlungen keinen Gebrauch machen werden.

Für die im Aktienrecht kürzlich eingeführte virtuelle Hauptversammlung trifft § 243 Abs 3 AktG daher eine gesetzlich normierte Abwägung zwischen der rechtsicheren Durchführung einer (teil-)virtuellen Versammlung und dem Schutz der Rechte der Teilnehmenden. Danach kann eine Anfechtung nur dann auf die Verletzung von Rechten infolge einer technischen Störung gestützt werden, wenn der Gesellschaft Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist. Sofern professionelle Dienstleister mit der technischen Umsetzung sorgfältig ausgewählt und beauftragt werden, scheidet grobe Fahrlässigkeit in der Regel aus, da auf die Expertise der technischen Dienstleister grundsätzlich vertraut werden darf. Ein Anfechtungsrecht besteht weiterhin nur dann, wenn sich die technische Störung auf das Beschlussergebnis oder Wahlergebnis ausgewirkt haben kann. Daran fehlt es beispielsweise, wenn die Übertragung nur kurzfristig unterbrochen war und die gestörte Ausübung der Rechte wiederholt wird.[3]

Um den Notarkammern die rechtssichere Durchführung der Kammerversammlungen bzw. der Generalversammlung in hybrider und virtueller Form zu ermöglichen, erscheint es sachgerecht, § 111e BNotO für die Durchführung entsprechender Kammerversammlungen und der Generalversammlung um eine Regelung zu ergänzen, die sich an § 243 Abs. 3 AktG orientiert. Jedenfalls sollte die Anfechtbarkeit der Beschlüsse und Wahlen wegen technischer Störungen ausdrücklich eingeschränkt werden.

C. Flexible Verfahren zur Stimmabgabe

Damit die Durchführung hybrider und virtueller Kammerversammlungen für die Notarkammern und der Generalversammlung für die Bundesnotarkammer eine effiziente Alternative zu Versammlungen in Präsenz darstellen kann, sollte die Möglichkeit zur Stimmabgabe in hybriden und virtuellen Versammlungen möglichst flexibel geregelt werden können. Insbesondere die Anschaffung und Einrichtung von Systemen zur elektronischen Stimmabgabe kann zu verhältnismäßig großem Aufwand führen, der insbesondere kleinere Notarkammern davon abhalten könnte, von der Möglichkeit der Regelung hybrider und virtueller Kammerversammlung Gebrauch zu machen.

Als einfache Alternative, die die Rechte der Kammermitglieder gleichermaßen wahrt, kommt insbesondere die Briefwahl vor oder nach der (teil-)virtuellen Durchführung der Kammerversammlung oder der Generalversammlung in Betracht. Das mittlerweile außer Kraft getretene COVID-19-Gesetz zur Funktionsfähigkeit der Kammern (COV19FKG) vom 10. Juli 2020 (BGBl. 2020 I 1643, 1644) hatte vorgesehen, dass die Kammerversammlung Beschlüsse im Wege der schriftlichen Abstimmung fassen und Wahlen im Wege der Briefwahl oder als elektronische Wahl durchführen kann, § 5 Abs. 2 Satz 1 COV19FKG.[4] Auch die vorliegende Entwurfsbegründung (S. 22) geht davon aus, dass den Mitgliedern ebenfalls die Möglichkeit schriftlicher Briefwahl eröffnet werden soll.[5]

Hingegen sieht § 71a Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BNotO-E des vorliegenden Referentenentwurfs vor, dass bei einer hybriden oder virtuellen Versammlung gewährleistet sein muss, dass die Mitglieder ihr Stimmrecht im Wege elektronischer Kommunikation ausüben können. Wahlen und Abstimmungen in Form der Briefwahl wären demnach nur als zusätzliche Option zulässig. Aus den genannten Gründen erscheint es nicht erforderlich, die elektronische Abstimmung als zwingende Voraussetzung vorzusehen. Stattdessen sollte es den jeweiligen Notarkammern bzw. der Bundesnotarkammer im Rahmen ihrer Satzungsautonomie und entsprechend ihrer Größe und technischen Ausstattung gestattet sein, die Durchführung einer hybriden oder virtuellen Kammerversammlung auch einzig mit der Möglichkeit zur Durchführung von Wahlen und Beschlüssen per Briefwahl zu kombinieren.

Dies sollte durch eine Anpassung des § 71a Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BNotO-E klargestellt werden. Eine Orientierung an § 5 Abs. 2 Satz 1 COV19FKG erscheint insoweit sachgerecht.

D. Nähere Ausgestaltung hybrider und virtueller Versammlungen in der Satzung

Die Entwurfsbegründung (S. 2, 12) geht davon aus, dass den Notarkammern und der Bundesnotarkammer mit Blick auf ihr Selbstverwaltungsrecht die weitere Ausgestaltung der hybriden und virtuellen Kammerversammlung und Generalversammlung überlassen bleiben soll. Die gesetzlichen Vorgaben sollen lediglich Mindestvoraussetzungen zur Durchführung (teil-)virtueller Versammlungen anordnen. Dies ist zu begrüßen, da es so den Notarkammern bzw. der Bundesnotarkammer obliegt, individuelle Faktoren wie die Größe der jeweiligen Versammlung, die zur Verfügung stehenden Mittel und sonstige Bedürfnisse zu berücksichtigen.

Im Wortlaut des Gesetzes könnte diese Befugnis der Kammern zur näheren Ausgestaltung der virtuellen oder hybriden Kammerversammlungen bzw. Generalversammlungen durch die Satzung noch deutlicher zum Ausdruck gelangen. Insoweit könnte eine Klarstellung in § 71a BNotO-E aufgenommen werden.

 

[1] Ungeachtet von § 11 Abs. 1 Satz 2 der BNotK-Satzung, demgemäß (nur) im Innenverhältnis der Organe das Präsidium Ort und Zeit bestimmt, vgl. insoweit zur parallel gelagerten Kammerversammlung der Notarkammern BeckOK BNotO/v. Stralendorff, Stand: 1. März 2023, § 71 Rn. 1, 5.

[2] Vgl.BeckOK BNotO/v. Stralendorff, Stand: 1. März 2023, § 71 Rn. 6.

[3] Vgl. zur virtuellen Hauptversammlung BeckOGK/Drescher, Stand: 1. Januar 2023, § 243 AktG Rn. 239.

[4] Für die Generalversammlung der Bundesnotarkammer sah § 6 Abs. 2 COV19FKG eine entsprechende Norm vor.

[5] Die Entwurfsbegründung scheint insoweit sprachlich nicht zwischen der Abstimmung über Beschlüsse und der Stimmabgabe bei Wahlen zu differenzieren.




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