Stellungnahme vom 03.11.2023

Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung von Wachstumschancen, Investitionen und Innovation sowie Steuervereinfachung und Steuerfairness (Wachstumschancengesetz)

Zusammenfassung:

Mit dem Regierungsentwurf des Wachstumschancengesetzes soll die Wirtschaft gestärkt und das Steuersystem vereinfacht und modernisiert werden. Diese Ziele sind grundsätzlich zu begrüßen. Aufgrund des fortgeschrittenen Verfahrenstands beschränkt sich die Stellungnahme auf die in Art. 29 des Gesetzesentwurfs vorgesehene Änderung des Umsatzsteuergesetzes sowie die in Art. 39 des Gesetzentwurfs enthaltene Anpassung des Grunderwerbsteuergesetzes.

Wir regen an, angesichts der für elektronische Notarkostenrechnungen spezielleren Regelung des § 19 Abs. 1 Satz 1 GNotKG die notariellen Kostenrechnungen vom Anwendungsbereich des § 14 Abs. 2 UStG-E auszunehmen (siehe A.). Um innerfamiliäre Übertragungsvorgänge – etwa unter Beteiligung von Ehegatten-GbRs – auch ab dem 1. Januar 2024 rechtssicher zu ermöglichen, wäre es ferner wünschenswert, die gesetzlichen Regelungen für die grunderwerbsteuerrechtliche Behandlung dieser Sachverhalte klar zu regeln (siehe B.).

Im Einzelnen:

A. Elektronische Rechnungsstellung

Für den Geschäftsverkehr zwischen Unternehmerinnen und Unternehmern wird in § 14 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 UStG-E die Pflicht eingeführt, Rechnungen ab dem 1. Januar 2025 grundsätzlich in einer besonderen elektronischen Form auszustellen. Das bedeutet, dass die Rechnung „in einem strukturierten elektronischen Format“ zu erstellen (§ 14 Abs. 1 Satz 3 UStG-E) und deren Echtheit und Unversehrtheit durch qualifizierte elektronische Signatur (qeS) oder ein anderes zulässiges Verfahren zu gewährleisten ist (§ 14 Abs. 3 Satz 6 UStG-E).

Die flächendeckende Einführung elektronischer Rechnungen kann ein wichtiger Baustein für die Digitalisierung von Unternehmen in Deutschland sein, fügt sich aber nicht ohne Weiteres in bestehende Abläufe ein. Um insbesondere kleine und mittlere Unternehmen nicht zu überfordern, erscheint es bedenkenswert, das Ausstellen elektronischer Rechnungen zunächst lediglich als Soll-Vorschrift auszugestalten (siehe A.I.). Für die Erstellung elektronischer notarieller Kostenberechnungen enthält das notarielle Berufsrecht bereits besondere Vorschriften. Anders als im privatwirtschaftlichen B2B-Bereich besteht aufgrund der hoheitlichen Stellung der Notarinnen und Notare sowie der regelmäßigen und engmaschigen staatlichen Aufsicht auch keine Gefahr von Umsatzsteuerbetrug; einer später einzuführenden Verpflichtung zur transaktionsbezogenen Meldung von Umsätzen dürfte im Gegenteil die notarielle Pflicht zur Verschwiegenheit entgegenstehen. Vor diesem Hintergrund sollte klargestellt werden, dass für die Rechnungserstellung von Notarinnen und Notare die in § 14 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 UStG-E enthaltene Verpflichtung keine Anwendung findet (siehe A.II.).

I. Behutsame Einführung durch Vorsehen einer Soll-Vorschrift

Die Einführung elektronischer Rechnungen in der in § 14 Abs. 1 UStG-E vorgesehenen Form für inländische B2B-Umsätze verlangt von den betroffenen Unternehmen das Vorhalten bestimmter Buchhaltungs- und Rechnungsstellungssoftware, um Rechnungen im strukturierten Format erstellen zu können. Zusätzlich müssen sie die Rechnungen qualifiziert elektronisch signieren (oder durch ein anderes zulässiges Verfahren die Echtheit und Unversehrtheit der Rechnung gewährleisten). Auch bereits vorhandene Systeme zur Erstellung von papierlosen Rechnungen müssen ggf. ausgetauscht werden, wenn diese den künftig geltenden Anforderungen nicht gerecht werden. Etablierte Abläufe im Unternehmen müssen angepasst werden.

Denn künftig wäre in einem ersten Schritt stets zu prüfen, ob der Leistungsempfänger seinerseits Unternehmer im Sinne des UStG ist, oder nicht. Ist er Unternehmer, muss die Rechnung verpflichtend elektronisch ausgestellt werden (§ 14 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 UStG-E). Ist er es nicht, darf die Rechnung ohne vorherige Zustimmung des Leistungsempfängers gerade nicht elektronisch ausgestellt werden (§ 14 Abs. 1 Satz 6 UStG-E). Um diese Unterscheidung vorzunehmen, ist eine juristische Subsumtion nötig. Hierfür dürfte vielfach zusätzlicher Ermittlungsaufwand erforderlich sein. Die dafür notwendigen Kenntnisse werden jedenfalls in der Buchhaltung kleinerer und mittlerer Unternehmen — bei steuerlich bzw. juristisch ungeschultem Personal— oft nicht vorhanden sein, sodass Dritte hinzugezogen werden müssen. Handelt es sich beim Leistungsempfänger um Einzelpersonen, ist für den Unternehmer regelmäßig nicht klar erkennbar, ob der Leistungsempfänger Unternehmer ist und falls ja, ob dieser die Leistung auch für sein Unternehmen bezieht. Die Beantwortung dieser Frage kann auch bei Vorliegen sämtlicher Informationen über einen Sachverhalt höchst komplex und Unschärfen unterworfen sein – etwa bei dem Erwerb von vermieteten oder teilweise vermieteten Immobilien.

Um die Echtheit und Unversehrtheit der Rechnung zu gewährleisten, sieht § 14 Abs. 3 Satz 5 Nr. 1 UStG-E vor, dass etwa eine qualifizierte elektronische Signatur an der Rechnung anzubringen ist. Insoweit bleibt unklar, ob es sich um eine qualifizierte elektronische Signatur des Unternehmers selbst handeln muss, oder ob auch die qualifizierte elektronische Signatur eines Mitarbeitenden der Buchhaltung genügen kann. In jedem Fall wird die erforderliche Zeichnungsmöglichkeit üblicherweise nicht bei der Stelle vorliegen, die die Rechnung erstellt, sodass die unternehmensinternen Prozesse wiederum angepasst werden müssen.

Um den Unternehmen die Möglichkeit zu geben, die technische Einführung der elektronischen Rechnungserstellung behutsam einzuführen, sollte erwogen werden, das Erstellen von elektronischen Rechnungen im B2B-Bereich in § 14 Abs. 2 UStG-E zunächst lediglich als Soll-Vorschrift auszugestalten.

II. Besondere Regelungen zur elektronischen notariellen Kostenrechnung

Das notarielle Berufsrecht sieht in § 19 Abs. 1 Satz 1 GNotKG bereits seit dem 1. August 2022 die Möglichkeit vor, elektronische Rechnungen auszustellen. Hierfür ist das Anbringen einer qualifizierten elektronischen Signatur erforderlich. Ein zusätzlicher strukturierter Datensatz wird nicht verlangt. Die Regelung unterscheidet nicht zwischen Rechnungen, die an Verbraucher ausgestellt werden und solchen, die an Unternehmer ausgestellt werden. Ob eine Rechnung in analoger oder elektronischer Form ausgestellt wird, obliegt nach § 19 Abs. 1 Satz 1 GNotKG grundsätzlich der Notarin oder dem Notar als Trägerin bzw. Träger eines öffentlichen Amtes. Dies ermöglicht es etwa, digitalen Start-Up-Gründerinnen oder bereits auf vollständig papierlose Büros umgestellten Unternehmen eine elektronische Rechnung auszustellen, während dem hochbetagten Einzelkaufmann wie gewohnt eine Rechnung in Papierform übersandt werden kann. Das GNotKG sieht damit bereits eine austarierte gesetzliche Regelung speziell zur elektronischen notariellen Kostenberechnung und Rechnungsstellung vor.

Auch der Zweck der in § 14 Abs. 2 UStG-E vorgeschlagenen Regelung, demgemäß B2B-Rechnungen künftig zwingend in einem strukturierten elektronischen Format auszustellen und zu übermitteln sind, greift für notarielle Kostenrechnungen nicht. Nach der Begründung des vorliegenden Regierungsentwurfs (BT-Drs. 20/8628, S. 204) soll die Erstellung von strukturierten Datensätzen perspektivisch deren automatisierte Auswertung durch die Finanzverwaltung im Rahmen eines bundesweiten Meldesystems ermöglichen. Im Ergebnis soll hierdurch insbesondere Umsatzsteuerbetrug vermieden werden. Hierfür besteht bei notariellen Kostenberechnungen kein Bedürfnis. Notarinnen und Notare sind öffentliche Amtsträger und durch verschiedene steuerrechtliche Anzeigepflichten selbst in den Schutz des staatlichen Steueraufkommens eingebunden. Darüber hinaus unterliegen sie einer regelmäßigen und engmaschigen Kontrolle durch die Justizverwaltung als Aufsichtsbehörde. Die alle vier Jahre stattfindende Notarprüfung bezieht sich gerade auch auf die Kostenberechnung und den Kosteneinzug, § 18 Abs. 4 DONot.

Im Gegenteil würde eine später einzuführende Verpflichtung zur transaktionsbezogenen Meldung von Umsätzen an ein Meldesystem der Finanzverwaltung die gesetzlich vorgegebene Verschwiegenheitspflicht von Berufsgeheimnisträgern (vgl. für Notarinnen und Notare § 18 Abs. 1 BNotO) zu berücksichtigen haben und für sie entsprechende Ausnahmen vorsehen müssen. Andernfalls bestünde eine erhebliche Gefahr der Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses zwischen den rechtssuchenden Bürgerinnen und Bürgern sowie den Rechtsberatenden, da die Finanzverwaltung fortan Einblick in jedes (!) Mandat sowie jede Beurkundung und Beglaubigung hätte. Mit Blick auf die Verschwiegenheitspflicht von Berufsgeheimnisträgern sollte jedenfalls für die betroffenen Berufsgruppen von einer verpflichtenden Verwendung der „E-Rechnung“ abgesehen werden, da die automatisierte Auswertung aller von ihnen ausgestellten Rechnungen ohnehin nicht in Frage kommen dürfte.

Vor diesem Hintergrund sollte jedenfalls klargestellt werden, dass für die Rechnungserstellung von Notarinnen und Notare § 14 Abs. 2 UStG-E auch dann keine Anwendung findet, wenn an der Beurkundung oder Beglaubigung ein Unternehmer beteiligt war.

Dieser Befund wird durch aktuelle Gesetzgebungsvorhaben im anwaltlichen Berufsrecht gestützt. § 10 Abs. 1 Satz 1 RVG regelt, dass Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte die Vergütung grundsätzlich nur aufgrund einer unterzeichneten Berechnung einfordern können. Der derzeit vorliegende Referentenentwurf eines Gesetzes zur weiteren Digitalisierung der Justiz des Bundesministeriums der Justiz sieht nun vor, dass § 10 Abs. 1 Satz 1 RVG künftig auch Rechnungen in Textform erlaubt. Das Erfordernis strukturierter Datensätze, einer qualifizierten elektronischen Signatur oder die Nutzung eines anderen zulässigen Verfahrens ist unter Verweis auf die gebotene Praxistauglichkeit[1] nicht (mehr) vorgesehen. Es erschiene widersprüchlich, diese Erleichterung durch eine Pflicht zur Erstellung von elektronischen Rechnungen nach § 14 UStG-E zu konterkarieren.

B. Grunderwerbsteuerliche Folgegesetzgebung zum MoPeG

Die §§ 5, 6 und 7 Abs. 2, Abs. 3 GrEStG sehen spezielle Vorschriften für bestimmte Grund-stücksübertragungen unter Beteiligung einer Gesamthand vor, die auf Veränderungen der Beteiligungsverhältnisse am Gesamthandsvermögen abstellen. Unter den Begriff der Gesamthand werden im Grunderwerbsteuerrecht derzeit alle Personen- und Partnerschaftsgesellschaften (neben Erbengemeinschaften und ehelichen bzw. fortgesetzten Gütergemein-schaften) subsumiert. In der notariellen Beratungspraxis spielen die grunderwerbsteuerlichen Regelungen etwa bei der Übertragung des Familienwohnheims, das von den Eltern in einer Ehegatten-GbR gehalten wird, an die gemeinsamen Kinder eine Rolle. Mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG) zum 1. Januar 2024 entfällt nach der in der Entwurfsbegründung vertretenen Ansicht die Fiktion der Gesamthand im Grunderwerbsteuerrecht, sodass die rechtliche Behandlung von Sachverhalten, die bislang unter §§ 5, 6 und 7 Abs. 2, Abs. 3 GrEStG fielen, unklar ist.

Im Hinblick auf laufende Nachbehaltensfristen hinsichtlich bestehender Fälle sorgt der Regierungsentwurf des Wachstumschancengesetzes nun in § 23 Abs. 25 GrEStG-E für Rechtssicherheit und ist ausdrücklich zu begrüßen.

Für Übertragungen ab dem 1. Januar 2024 regelt der Regierungsentwurf allerdings nichts. Eine Einigung hinsichtlich der künftigen Behandlung der betroffenen – häufig innerfamiliären – Sachverhalte steht momentan noch aus. Insoweit wäre es wünschenswert, auch für Übertragungen ab dem 1. Januar 2024 eine rechtssichere gesetzliche Regelung zu treffen, die sinnvolle und wichtige Planungen der vorweggenommenen Erbfolge weiterhin ermöglicht. Die aktuell bestehen Rechtsunsicherheit führt bereits jetzt zu einer erheblichen Verunsicherung der rechtssuchenden Bevölkerung. Keinesfalls sollte eine Verzögerung der entsprechenden Folgegesetzgebung dazu führen, dass wichtige innerfamiliäre sowie vorsorgende Rechtsgeschäfte aufgrund unklarer rechtlicher Aussichten aufgeschoben werden.

 

[1] Referentenentwurf eines Gesetzes zur weiteren Digitalisierung der Justiz, S. 55: „Der Regelungsvorschlag trägt dem Wunsch der anwaltlichen Praxis Rechnung, die elektronische Übermittlung von Vergütungsberechnungen zu erleichtern. Derzeit erfordert dies den Einsatz einer qualifizierten elektronischen Signatur, was vielfach als nicht praxistauglich angesehen wird. Daher soll für die Berechnung künftig die Textform genügen.“




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