Notarielle Online-Verfahren: Beschluss des DiREG
Am 23. Juni 2022 hat der Deutsche Bundestag das Gesetz zur Ergänzung der Regelungen zur Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie und zur Änderung weiterer Vorschriften (DiREG) beschlossen. Die Billigung durch den Bundesrat erfolgte am 8. Juli 2022, sodass mit der baldigen Verkündung des Gesetzes im Bundesgesetzblatt zu rechnen ist.
Über den Regierungsentwurf des DiREG haben wir bereits in unserem Rundschreiben Nr. 1/2022 vom 29. April 2022 informiert. Demgegenüber haben sich im parlamentarischen Verfahren unter Einbeziehung der Bundesnotarkammer noch einzelne Änderungen ergeben. Um diese Änderungen transparent darzustellen, versenden wir in Anlage 1 eine zweite Version unseres Rundschreibens Nr. 1/2022, in der die Neuerungen kenntlich gemacht sind. Bei dieser Gelegenheit wurde das Rundschreiben um Erläuterungen zur Beantwortung häufig gestellter Fragen ergänzt. Anlage 2 enthält eine Übersicht der zulässigen Online-Verfahren in Tabellenform.
In Anlage 3 finden Sie ein übersichtliches Informationsblatt, das an Mandantinnen und Mandanten weitergegeben werden kann.
Anlage 4 enthält eine kurze Darstellung der vier wichtigsten Maßnahmen, die im Notarbüro zur Vorbereitung auf die Online-Verfahren ergriffen werden sollten. Anlage 5 erläutert die technische Bedienung des XNP-Moduls „Online-Verfahren“ anhand von Screenshots und informiert über die Erteilung des SEPA-Lastschriftmandats für die Abrechnung der Gebühren für das Videokommunikationssystem.
Besonders hinweisen möchten wir auf die folgenden Punkte:
A. Amtsbereichsprinzip im Online-Verfahren nach dem DiREG
Notarinnen und Notare dürfen in einem Online-Verfahren grundsätzlich nur dann tätig werden, wenn in ihrem Amtsbereich ein örtlicher Anknüpfungspunkt liegt, der in § 10a Abs. 3 BNotO k. F. geregelt ist. Aus dem DiREG ergeben sich wesentliche Änderungen an den insoweit maßgeblichen Anknüpfungspunkten.
In der Fassung des Gesetzes zur Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie (DiRUG) stellte § 10a Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BNotO k. F. noch auf den Sitz oder Wohnsitz eines Gesellschafters der betroffenen Gesellschaft ab. Nach dem DiREG wird es hingegen nunmehr auf den Sitz oder Wohnsitz eines organschaftlichen Vertreters (Geschäftsführer, Vorstandsmitglied etc.) ankommen.
Der Sitz oder Wohnsitz eines Gesellschafters kann aber nach Maßgabe des neuen § 10a Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 BNotO k. F. zusätzlich als örtlicher Anknüpfungspunkt dienen, sofern die Eigenschaft als Gesellschafter aus dem Handelsregister oder einem vergleichbaren Register ersichtlich ist. Insbesondere bei Gesellschaften mit beschränkter Haftung oder bei Personenhandelsgesellschaften kommt damit auch der Wohnsitz oder Sitz jedes Gesellschafters als örtlicher Anknüpfungspunkt in Betracht. Für Aktiengesellschaften oder Genossenschaften eröffnet § 10a Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 BNotO k. F. hingegen keinen weiteren örtlichen Anknüpfungspunkt.
Urkundstätigkeiten dürfen in aller Regel nur dann vorgenommen werden, wenn einer der Anknüpfungspunkte des § 10a Abs. 3 BNotO k. F. im Amtsbereich liegt. Dabei handelt es sich nach § 10a Abs. 2 BNotO um eine Amtspflicht, die von den Aufsichtsbehörden streng überwacht wird; insbesondere ermöglicht das Urkundenverzeichnis eine effektive Kontrolle der Einhaltung des Amtsbereichsprinzips im Online-Verfahren. Abweichungen hiervon sind nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen denkbar, etwa wenn ein Urkundsentwurf gefertigt wurde und der örtliche Anknüpfungspunkt danach aus unvorhersehbaren Gründen entfällt (vgl. Abschnitt IX.2. lit. b der Richtlinienempfehlungen der Bundesnotarkammer). Deshalb ist es unzulässig, in einem Urkundsentwurf einen örtlichen Anknüpfungspunkt vorzusehen, der im Nachhinein planmäßig entfällt.
Liegen die Anknüpfungspunkte sogar außerhalb des Amtsbezirks, sind die berufsrechtlichen Vorgaben noch strenger: § 11 Abs. 2 BNotO erlaubt in diesen Fällen eine Urkundstätigkeit nur dann, wenn Gefahr im Verzug ist oder die Aufsichtsbehörde diese im Einzelfall genehmigt hat. Eine Genehmigung kommt aber in der Regel nicht in Betracht.
B. Klarstellung zum Anwendungsbereich
Online-Beurkundungen und Online-Beglaubigungen sind nur wirksam, soweit der Gesetzgeber sie ausdrücklich zugelassen hat. Insoweit war aufgrund des Gesetzeswortlautes, den noch der Regierungsentwurf des DiREG für § 2 Abs. 3 Satz 1 GmbHG in der Fassung ab 1. August 2023 vorgesehen hatte, unklar, ob in den im Online-Verfahren beurkundeten Gesellschaftsvertrag auch Verpflichtungen zur Abtretung von Geschäftsanteilen an der zu gründenden Gesellschaft aufgenommen werden können. Die nun beschlossene Fassung des DiREG enthält in § 2 Abs. 3 Satz 1 GmbHG k. F. insoweit eine Klarstellung, wonach solche Vereinbarungen auch im Online-Verfahren in den Gesellschaftsvertrag aufgenommen werden können.
Verpflichtungen zur Abtretung von Geschäftsanteilen an der zu gründenden Gesellschaft, etwa in Form der Einräumung von Vorkaufs- oder Vorerwerbsrechten für Mitgesellschafter im Falle der späteren Veräußerung von Geschäftsanteilen an der zu gründenden Gesellschaft, können daher ab dem 1. August 2022 in den online beurkundeten Gesellschaftsvertrag aufgenommen werden. Bei einstimmigen Satzungsänderungen, die ab dem 1. August 2023 über das Videokommunikationssystem der Bundesnotarkammer beurkundet werden können (§ 53 Abs. 3 Satz 2 GmbHG k. F.), ist die Beurkundung solcher Verpflichtungen dann ebenfalls zulässig.
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